Boxenstopp für Unerschrockene

Boxenstopp für Unerschrockene
Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, so manchem Künstler fehle es entweder am Zutrauen in die Essenz des eigenen Schaffens – also Ton, Text und Bild – oder an wesentlich Grundsätzlicherem: dem schnöden Geld. Wie sonst läßt es sich erklären, dass kein Tag ohne die Ankündigung eines noch luxuriöseren, noch kostspieligeren Box-Sets, sei es das eines ReIssues oder einer Neuerscheinung, zu vergehen scheint. Die Fans jubilieren, die Kassen klingeln und kaum einer fragt nach Sinn und Unsinn solchen Boheis.
Beileibe nicht der Anfang, aber eine vielbesprochene Zäsur: Das Jubiläums-Box-Set zu Nirvanas „Nevermind“ mit fast schon ärmlichen fünf CDs bzw. DVDs, bestückt mit handelsüblichen Demos und Remasters, Livemitschnitten und Bildmaterial – stockkonservativ, möchte man meinen und mit gut 100 Euro fast schon ein Schnäppchen.
Weitaus umfassender gehen da Johnny Marr und Rhino-Records zu Werke, hier gibt’s den kompletten Back-Katalog der Smiths mit acht Alben in Gatefold-Qualität und obligatorischem 180-Gramm-Vinyl und sagenhaften 25 Siebenzollern, dazu Coverprints und DVD – massive Menge mit massivem Preis, bei Amazon kann man dafür schon mal knappe 310 Euro löhnen.
Sehr ansehnlich auch das Geburtstagspackage, was Bono und Kollegen zum Zwanzigjährigen ihres – zugegeben recht richtungsweisenden – Albums „Achtung Baby“ geschnürt haben – der Name „Uber Deluxe Edition“ könnte nicht passender sein: 6 CDs inklusive Nachfolgewerk „Zooropa“, Remix-, Sessions- und Demokrimskrams, eine schöne Berlin-Doku mit dem inoffiziellen Titel „Wie Bono endlich den kalten Krieg stoppte und die wirklich saudumme Mauer zu Fall brachte“, dazu noch Fanbuch, Sticker und – man hat es fast schon befürchtet: eine Original-Sonnenbrille des hochheiligen Mannes aus Dublin. Hallelujah, da sind knapp 300 Euro eine preiswerte Spende.
Bevor es zum absoluten Highlight geht sei noch erwähnt, dass auch die gerade wiedererwachten Beastie Boys dem Markt geben was der Markt scheinbar braucht – für schlappe 750 Dollar (charity, versteht sich von selbst) kann sich der geneigte und betuchte Fan ein Set Actionfiguren aus dem letzten Video „Don’t Play No Game That I Can’t Win“, versehen mit allerlei Wechselgarderobe, bestellen – natürlich Ehrensache.
Den berühmten Vogel schießt allerdings Fräulein Gutmundsdottir aka. Björk ab, in eine handgehobelte Holzschatulle schichtet die spleenige Isländerin neben ihr kommendes Album „Biophilia“ zehn unterschiedlich gefärbte Stimmgabeln, jede einzelne einem Song der Platte zugeordnet und selbstredend penibelst gestimmt. Beiliegend natürlich kunstvollste Sonderdrucke und lyrische Kostbarkeiten, ökologisch überaus nachhaltig und trotzdem von erlesener Qualität, die mit 500 Pfund aber auch einen erlesenen Preis hat.
Allen, die einfach nur mal „reinhören“ wollen, sei wärmstens die gute, alte Hype Machine empfohlen.

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