Boxen in der Literatur: Das Phantom des Alexander Wolf von Gaito Gasdanow

Im Herbst 2012 gab es eine kleine literarische Sensation. „Das Phantom des Alexander Wolf“ von Gaito Gasdanow (06.12.1903-05.12.1971) erschien erstmalig auf deutsch. Das Buch war bereits 1947/48 erschienen. Sowohl der Autor als auch sein Werk waren in Vergessenheit geraten. Gasdanow gilt mittlerweile wieder als einer der wichtigsten russischen Exilautoren des frühen 20. Jahrhunderts. Er wird mit Vladimir Nabokov und Albert Camus verglichen.
Das Phantom des Alexander Wolf beginnt damit, dass der 16-jährige Ich-Erzähler während des russischen Bürgerkriegs auf einen Reiter trifft, der sein Pferd erschießt. Er zieht seine Pistole und feuert auf den Reiter. Er nimmt das Pferd des vermeintlich Sterbenden und flüchtet. Jahre später findet er in Paris (Hauptstadt der russischen Emigration) eine englischsprachige Erzählung, in der detailgetreu der Vorfall mit dem Reiter erzählt wird. Danach versucht er den Schriftsteller/das Phantom dieser Erzählung ausfindig zu machen. Es gibt noch eine Liebschaft, eine „Amour fou“ zu Jelena und am Ende findet der Ich-Erzähler das Phantom. Mehr sei hier nicht verraten. Gasdanov erzählt eine Geschichte von Tod, Liebe, Schuld und vom Boxen.
Der Ich-Erzähler ist Journalist. Er liebt Kunst und Kultur, Frauen und Sport. Er berichtet über eine Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht im Palais de Sport in Paris, bei der der Amerikaner Fred Johnson und der Franzosen Émile Dubois gegeneinander kämpfen. Der Kampf, den Gasdanow da beschreibt, fand nie statt. Mir fällt auch kein Vorbild für diese Kampfbeschreibung ein. Aber wie der Autor ihn beschreibt, vor allem wie er die Boxer charakterisiert, zeigt, dass da jemand etwas vom Boxen versteht.
Die Stärke des Werks von Gaito Gasdanow ist seine Sprache. Gasdanow hat eine sehr klare und transparente Sprache, die in langen, mäandernden Sätzen vermeintlich vom Thema abstreift, aber dann doch unbemerkt zum Zentrum führen. Geschildert wird ein Leben/Lebensgefühl, das geprägt ist von Krieg. Die Protagonisten sind vom Krieg deformiert. Gleichwohl entfaltet sich eine Geschichte voller Schönheit und eine Geschichte, in der ein Boxkampf eine zentrale Rolle spielt.
(C) Uwe Betker



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