Boxen in der Glaspyramide

Will man eine Boxveranstaltung sehen, in der zwei Frauenboxkämpfe die Hauptkämpfe sind, dann muss man wohl schon nach Österreich fahren. Das Trend Eventuell Pyramide in Wien, oder besser gesagt in Vösendorf bei Wien, war am 21.06.2014 Austragungsort dieser bemerkenswert guten Veranstaltung. Die Halle ist eine Glaspyramide, die früher eine tropische Wellness Oase beheimatete. Die Palmen und das üppige Grün, die von dem ehemaligen Bad geblieben sind, und einbildeten den Rahmen für einen sehr schönen Austragungsort für Boxveranstaltungen.
Der laue Sommerabend begann mit der Begegnung zwischen Manuel Buchheit (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Petr Gyna (27 Kämpfe, 4 Siege, 4 durch KO, 22 Niederlagen, 16 durch KO, 1 Unentschieden) im Leichtgewicht. Buchheit punktete mit Links-Rechts-Kombinationen, begann aber etwas überhastet. Gyna kam daher anfangs noch ein ums andere Mal mit seiner Linken zur Stirn durch. Einmal traf er sogar mit einem schönen Aufwärtshaken den Kopf. Buchheit bestimmte aber den Kampf. Dies machte er auch im zweiten Durchgang, in dem er dann den Druck erhöhte. Mitte der Runde stellte er seinen Gegner in dessen Ringecke, wo er ihn mit einem rechten Körperhaken zu Boden zwang. Kurze Zeit später musste, nach einer Körper-Kopf-Kombination, Gyna erneut zu Boden. Allerdings waren das wohl eher noch die Spätfolgen des ersten Niederschlags. Es sah danach aber zuerst noch so aus, als könnte er das Rundenende erreichen. Buchheit jedoch stellte ihn erneut in seiner Ecke. Er ließ ihn dann auch nicht mehr heraus und deckte ihn mit Schlägen ein. Langsam sackte Gyna in sich zusammen und ging zu Boden. Der Ringrichter Erich Straub brach den Kampf zu Recht ab. TKO Runde 2 nach 2 Minuten 52.
Der folgende Kampf im Junior Weltergewicht ging über die volle Distanz von 8 Runden.
In ihm trafen Kim Poulsen (26 Kämpfe, 25 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage) und Ivo Gogosevic (13 Kämpfe, 8 Siege, 3 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) aufeinander. Zunächst sah es noch nach einer relativ einfachen Angelegenheit für Poulsen aus. Er boxte die ersten beiden Runden überlegt und überlegen. Er trieb seinen Gegner vor sich her, schlug aber wenig.In der dritten Runde veränderte sich dann der Kampfrhythmus. Gogosevic fing im Rückwärtsgang an zu joggen und er versuchte, mit überfallartigen Angriffen zum Ziel zu kommen. In der folgenden Runde versuchte er es mit wildem Keilen. Als er Poulsen zu Boden schubste und dem Knienden dann auch noch einen Schlag auf dem Hinterkopf verpasste, wurde er mit einem Punktabzug von Ringrichter Joseph Tremml bestraft. Hiernach wurde der Kampf von Runde zu Runde härter und vor allem von Gogosevic immer schmutziger geführt. Er sprang in seine Angriffe herein, stieß mit dem Kopf, schlug auf dem Hinterkopf, klemmte den Arm ein und schlug zu, schlug nach dem Break Kommando noch mal, schubste, setzte eine Beinsichel ein und vieles mehr. Der Ringrichter ließ ihn weitestgehend gewähren, was dem Kampf nicht zuträglich war. Aber auch Poulsen trug seinen Teil dazu bei, dass der Kampf schmutzig wurde. Er boxte nicht, d.h. er war zu inaktiv und setzte viel zu wenig seine Führhand ein. Am Ende stand ein einstimmiger Punktsieg für Poulsen, aber auch bei einem Unentschieden hätte er sich nicht beschweren können.

Özlem Sahin (18 Kämpfe, 17 Siege, 5 durch KO, 1 Unentschieden) bestritt ihren ersten WM Kampf. Sie boxte um die drei vakanten Titel im Strohgewicht der WIBF, WBF und GBU (Women’s International Boxing Federation, World Boxing Federation und Global Boxing Union), wobei der WBF Gürtel ein Intercontinental Titel war. Ihre Gegnerin war Thuion Thanyathada alias Buangern OnesongchaiGym (18 Kämpfe, 11 Siege, 2 durch KO, 6 Niederlagen, 3 durch KO, 1 Unentschieden). Sahin begann gut und wurde von Runde zu Runde stärker. In der ersten Runde punkte sie mit ihrer variablen Führhand. Sie schlug zu Körper und Kopf. Buangern OnesongchaiGym konnte Sahin, obwohl sie größer ist und einen sichtbaren Reichweitenvorteil hatte, nicht auf Distanz halten. In der zweiten Runde kam Sahin noch stärker und traf nun auch häufiger mit der Rechten. In der dritten Runde versuchte die Thailänderin den Vorwärtsdrang von Sahin durch Klammern zu unterbinden, was ihr aber nur bedingt gelang. Ein harter rechter Kopfhaken am Anfang der Runde hatte sie beeindruckt. Zum Ende hin suchte Sahin den KO, aber geschicktes Klammern von Thanyathada führte dazu, dass beide Boxerinnen auf dem Ringboden landeten. Im folgenden, vierten Durchgang nahm Thanyathada viel und am Ende schien sie etwas wackelig auf den Beinen zu sein, schaffte aber noch die Ringpause. In der folgenden Runde musste sie wiederum viele Treffer nehmen und es stellte sich nun ernsthaft die Frage, ob sie den Kampf bis zum Schluss würde durchhalten können. In der sechsten Runde wurde diese Frage dann schließlich beantwortet. Bereits am Anfang musste sie nach einer längeren Kombination, die sie nehmen musste, zu Boden und wurde angezählt. Wieder auf den Beinen deckte Sahin sie weiter mit Schlägen ein, unter denen sie zusammenbrach und ausgezählt wurde. KO in Runde 6 nach 1 Minute und 10 Sekunden. – Ein großer und beeindruckender Sieg für die neue Doppelweltmeisterin im Strohgewicht.
Im Supermittelgewicht trafen Omar Jatta (22 Kämpfe, 12 Siege, 8 durch KO, 9 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) und Titusz Szabo (61 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO, 56 Niederlagen, 26 durch KO, 1 Unentschieden) aufeinander. Jatta dominierte den ganzen Kampf. Er zeigte schöne gerade Links-Rechts-Kombinationen. Am Ende der Runde brachte ein rechter Schwinger Szabo zum Wackeln. Dieser konnte sich jedoch in die Ringpause retten. In der zweiten Runde erhöhte Jatta den Druck und kam auch immer häufiger durch. Szabo musste in ihr dreimal zu Boden. In der folgenden Runde brachte Jatta eine schöne rechte Garde zum Kopf durch, die Szabo zu Boden zwang. Er kam zwar noch mal hoch wurde aber direkt in der folgenden Aktion wieder zu Boden geschickt. Jetzt hatte der Ringrichter genug gesehen und brach den ungleichen Kampf ab. TKO in Runde 3 nach 1 Minute und 1 Sekunde.
Dann kam die zweite Frauenweltmeisterschaft des Abends. Es boxten Eva Voraberger (21 Kämpfe, 18 Siege, 9 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO) und Marasri Sriliwai alias Nonggift OnesongchaiGym (9 Kämpfe, 6 Siege, 1 durch KO, 2 Niederlage, 1 Unentschieden) um die vakanten Titel der WIBF und der WBF (Women’s International Boxing Federation und World Boxing Federation) im Super Fliegengewicht. Voraberger war die Hauptprotagonistin des Abends. Das lag nicht nur daran, dass sie die Hauptkämpfern an diesem Abends war, sondern vor allem auch daran, dass praktisch nur ihr Handeln im Ring den Kampf bestimmte. Der Kampf entwickelte sich zu einer regelrechten Ringschlacht, die hin und her wogte und bis zum Schluss spannend blieb.
Die erste Runde ging an Voraberger. Sie setzte ihre Gegnerin unter Druck, musste aber mehrfach Treffer zum Kopf, mit der Rechten geschlagen, nehmen. Die folgende Runde ging dann an Nonggift OnesongchaiGym; Voraberger war zu inaktiv und wartete zu sehr auf den einen alles entscheidenden Schlag. So ging der Kampf hin und her. Voraberger sah immer gut aus, wenn sie gegen die Rechtsauslegerin ihre Linke einsetzte. Sie sah nicht so gut aus, wenn sie ihre Rechte unvorbereitet schlug. Am Ende der achten Runde war der Ausgang des Kampfes noch offen. Mit einer bemerkenswerten Energieleistung sicherte sich Voraberger aber schließlich nach zehn Runden den einstimmigen Sieg. Die Punktrichter werteten 97:94, 97:93 und 96:94. Mit diesem Sieg schrieb Voraberger Boxgeschichte, denn sie ist die erste Österreicherin, die in Österreich einen WM Kampf bestritt.
Zum Abschluss gab es dann noch einen Achtrunder im Weltergewicht, in dem Laszlo Toth (18 Kämpfe, 18 Siege, 13 durch KO) und Arkadiusz Malek (24 Kämpfe, 13 Siege, 4 durch KO, 7 Niederlagen, 5 durch KO, 5 Unentschieden) aufeinander trafen und über die angesetzte Distanz gingen. Toth zeigte schönes Boxen. Besonders seine Linke gefiel. Malek versuchte sein Glück mit Kopfhaken, die nicht ungefährlich waren. Zum Ende hin baute er aber ab und kämpfte nur noch darum, nicht vorzeitig zu verlieren. Der Punktsieg von Toth war einstimmig und deutlich.

Zu erwähnen bleibt mir noch, dass es im Rahmenprogramm der wirklich guten Veranstaltung von Peter M. Pospichal (Box-Team Vienna) noch Muay Thai- und Kickboxkämpfe zu sehen gab. In einem davon verlor die Kickboxlegende Stefan Leko durch eine verletzungsbedingte Aufgabe in Runde 1 gegen Murat Karabulat. Außerdem gaben sich Richard Lugner und Tatjana Gsell die Ehre. Der längste Tag des Jahres bekam mit dem Boxen in der Glaspyramide einen schönen Abschluss.
(C) Uwe Betker



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