Heute winkt eine historische Sitzung: Die EZB dürfte an diesem Donnerstag den Leitzins auf unter ein Prozent senken. So billig war das Geld seit der Euro-Einführung nicht. Experten rechnen mit einem neuen Leitzins von 0,75 Prozent ab heute Nachmittag. Die Banken werden jubeln: Wer sich das Geld so billig besorgen kann, um danach damit zu zocken arbeiten, muss sich nicht anstrengen. Geld zu 0,75% fast ohne Limit bei der EZB abholen und dann Staatsanleihen zu kaufen, die fünf Prozent Zinsen bringen, dazu muss man kein Abitur haben.
IWF-Chefin Christine Lagarde findet das nicht gut. Sie weist darauf hin, dass Spanien oder Itlaien vielleicht eine solche Zinssenkung gebrauchen kann, Deutschland helfe das aber nicht. Deswegen schlägt Lagarde der Notenbank vor, erneut Staatsanleihen der Problemländer zu kaufen im Kampf gegen die Krise. Das sei die viel selektivere und vernünftigere Massnahme, sagte sie. Auch Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sprach sich gegen eine Senkung des Leitzinses aus. Die EZB könne die Konjunktur im Euro-Raum durch Zinssenkung nicht mehr maßgeblich stimulieren, sagte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner.
Doch von erneuten Staatsanleihenkäufen will besonders Angela Merkel nichts wissen. Auf ihren Druck hin hat die EZB schon vor etlichen Wochen solche Aktionen eingestellt. Dennoch hat die EZB für mehr als 210 Milliarden Euro Staatsanleihen von Problem-Länder in ihren Büchern. Während Monti und Rajoy froh wären, wenn die EZB erneut Wertpapiere aufkaufen würde, um sie aus dem italienischen und spanischen Zinsensumpf zu ziehen, ist auch der niedeländische Notenbank-Chef und EZB-Ratmitglied Klaas Knot strikt dagegen: “Das Anleihenkaufprogramm befindet sich im Tiefschlaf und wird es auch bleiben”, sagte er Journalisten.
Den Banken wird es egal sein. Nach der Zinssenkung wird ihre Gewinnspanne wieder nennenswert wachsen, der Rest muss sie nicht kümmern. Das ist übrigens auch richtig so, was die Banken-Kritiker ständig zu vergessen scheinen. Nicht Banken oder Konzerne sind an der Misere schuld. Sie erfüllen nur – und meistens sogar gut – die ihnen zugedachte Rolle im gegenwärtigen System. Nicht Banken und Konzerne sind schuld sondern das System, das ihnen Aufgaben zuweist und Möglichkeiten eröffnet.