Nehmen wir mal Joker, der bekanntlich für die meisten der Bösewicht ist (für mich ist er der wahre Held, der Mensch mit Visionen und Charakter, der sich an seine Drohungen hält und nichts verspricht, was er nicht auch halten kann). Joker hat aus psychologischer Hinsicht stark ausgeprägte Zwangsneurosen. Sein ewiges Lecken und Sabbern an seinen Wunden, seine kindliche Ausdrucksweise und seine spielerische Art, den Menschen mit dem Tot zu drohen, deuten auf ein fehlendes Selbstbewusstsein hin. Deswegen auch das Make-up. Und damit ist er ja nicht alleine. Nicht nur er versucht sich hinter einer Maske oder Lüge zu verstecken, auch 95% der Menschen da draußen, unter euch, versuchen das. Aber auch Batman – wenn mir schon beim Thema sind – ist so eine verkappte Seele. Ja, ja, von wegen Superhelden dürfen nicht erkannt werden und so weiter. Warum so schüchtern schwarzer Ritter? Superman braucht ja auch keine Maske! Sein Umhang lenkt derartig von seinem Gesicht ab, dass selbst Lois ihn nicht erkennt. DAS ist wahres Heldentum! Oder Dummheit der anderen. Je nachdem. Bleiben wir bei Joker, der mir richtig ans Herz gewachsen ist. Mein kleiner irrer Clown. Er hat mir in den Comics schon immer gut gefallen. Er hat es einfach getan, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Er hat Menschen getötet, aber nie jemanden verletzt oder das Herz gebrochen. Joker hat noch einen Codex. Joker hat selbst Gefühle. Nein, ich will ihn nicht romantisieren. Ich mache ihn menschlich. Ich verstehe ihn. Und manchmal beneide ich ihn auch. Beneide ich sie alle. Ob Bösewicht oder Superheld, der bei Gefahr in seinen Superheldenanzug schlüpft, seine Maske über das Gesicht zieht und in die Ferne braust. Manchmal wünsche ich mir auch solch einen Anzug, der mich vor den Blicken und Taten der anderen schützt und mich unverwundbar macht. Eine Maske, die mein Gesicht verdeckt – meine Tränen und mein Lachen. Eine Tarnung, die mich unangreifbar macht.
Leider ist das Leben kein Comic und es gibt auch keine Superhelden, die die heutigen Bösewichte aus dem Weg räumen. Realistischer als derartige gezeichnete Märchen sind dann noch eher die Abenteuer von Don Quijote, der ständig gegen die Windmühlen der Gesellschaft kämpft. Oder das Leben von Münchhausen, der von einer verlogenen Kanonenkugel zur anderen springt, ohne Rücksicht auf Verluste. Er soll sich ja sein ganzes Leben schöngelogen haben und vielleicht hat er es auch selbst geglaubt, aber das macht ihn nicht zum Superhelden. Allerdings auch nicht zum Bösewicht. Denn Menschen dieser Art und Weise sind einfach nur Dreck. Hochstapler und von mir aus auch intriganter Abschaum. Dann schon lieber ein hoffnungsvoller und glaubender spanischer Junker, der mit Herz versucht gegen den drohenden Niedergang seiner Art zu protestieren. L'Espagne12 points. Wie so oft in meinem Leben.
Also gibt es nun irre Superhelden oder nicht? Und was ist heute eigentlich noch ein Superheld? Ein Mensch, der sich für die Belange anderer einsetzt und auch kämpft, wenn der Gegner eine Windmühle ist? Oder ist er ein Mensch, der anderen hilft, die sich nicht selbst aus der Pfütze ziehen können? Was macht einen Menschen zum Helden? Indem er Leben rettet oder sein eigenes schützt? Ist ein Held jemand, der Selbstjustiz ausübt und nicht wartet bis die Polizei nach Ablauf ihrer Fristen zur Tat schreitet?
Ich bin kein Held. Es ist die denkbar schlechteste Zeit für mich ein Held zu sein. Ich bin und bleibe wie Joker, der sich fest an seine Zwangsneurosen klammert, der Menschen (mit seinen Worten und Gedanken) auslöscht, aber nicht ihre Gefühle verletzt, nicht ihre Herzen bricht. Ich bleibe das Kind hinter der Maske und beobachte die Welt um mich herum. Warte auf den Zeitpunkt, wenn mein Held durch die Tür kommt und ich so sein kann, wie ich bin.
Und in der Zwischenzeit verschanze ich mich in meinem geheimen Quartier im Exil, hecke Pläne mit meinen Bösewichtfreunden aus und zähle die Tage, bis ich endlich die Höllenmaschine meines Helden in der Ferne anfahren sehe.
Und so lange blicke ich zum Horizont und über die Tellerränder dieser Gesellschaft um allen Münchhausens dieser Welt den Garaus zu machen. Wenn ein Bösewicht nämlich etwas mehr hasst als sich selbst, dann sind es die anderen, die sich ihm in den Weg stellen und versuchen, ihre kleinen heuchlerischen Steine im Weg zu platzieren. Wisst ihr, was mit solchen Steinen passiert? Man hebt sie auf und schlägt dem Saboteur damit den Schädel ein!