Als ich klein war, hatte ich das zweifelhafte Vergnügen die erste Reformhaus-Welle mitzuerleben. Ich war damals zu jung um meine Erfahrungen zu reflektieren, hatte aber das klare Gefühl, dass in diesen Läden irgendetwas Ungutes vor sich geht. Es roch immer undefinierbar gleich, irgendwie ungeflüftet. Die Menschen, vorwiegend Frauen, die die Reformhäuser besuchten, sahen ungesund aus und hatten etwas, sehr vorsichtig formuliert, blutleeres an sich. Die Lebensmittel, die meine Mutter in diesen Reformhäusern kaufte, schmeckten ohne Ausnahme grauenhaft. Beim Verzehr der Grünkernbratlinge habe ich das erste Mal erlebt, dass etwas, das nach gar nichts schmeckt, trotzdem ekelhaft sein kann. Der Sauerkrautsaft war ein Alptraum und der Brottrunk die nicht für möglich gehaltene Steigerung.
Mittlerweile glaube ich zu verstehen, wo das Problem lag (und liegt): es ist die völlige Abwesenhaft von Leidenschaft. Essen, dass in seiner besten Ausprägung nicht nur satt macht sondern für Genuss und Freude sorgt, wurde in diesen Läden auf eine quasi-medizinische Perspektive reduziert. Es zählte nur, was vermeintlich gut für den Köper war. Und weil nach alter Schule Medizin bitter sein muss, schmeckten die gesunden Produkte entsprechend. Ich kann mich an die Mutter eines guten Freundes erinnern, die in einer biologisch-manischen Phase Salz und Zucker komplett aus ihrer Küche verbannt hatte. Wie der Kuchen dort auf Kindergeburtstagen schmeckte, kann man sich gut vorstellen…
Die Reformhäuser haben sich mittlerweile in Bio-Supermärkte verwandelt. Dort ist vieles besser weil freundlicher, lebensbejahender und leckerer geworden. Trotzdem schlurfen auch dort noch die alten Reformhaus-Besucher durch die Gänge und es riecht dezent nach Dogma und Fundamentalismus. Dieses alte Weltbild schlägt sich in, mit Verlaub, Schwachsinnsprodukten wie veganer Sahne oder Salami nieder. Diese Produkte sind, um das Original zu imitieren, bis zum Hals vollgestopft mit eigentümlichen Fetten, Emulgatoren und Stabilisatoren und erinnern damit frappierend an die synthetischen Lebensmittel aus dem Louis de Funés-Film Brust oder Keule.
Aber genug gestänkert: ein rundum positives Beispiel für einen entspannten, vernünftigen und gleichermaßen leidenschaftlichen wie nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln ist die Inspirationsquelle für das heutige Gericht: es geht um ein Restaurant, das so winzig ist, dass man es zunächst kaum glauben mag – das Bad Ape in der Alten Wallgasse 2a in Köln.
Das Bad Ape schafft es, Regionalität und Saisonalität erfrischend entspannt, un-dogmatisch und authentisch in sehr, sehr leckere Gerichte und ein herrliches Wohlfühl-Ambiente zu übersetzen. Das ist toll und keinesfalls selbstverständlich. Dabei ist der Ansatz so einfach: es wird gekocht, was Saison hat. Die Zutaten kommen aus der nächsten Umgebung und der Qualitätsanspruch sowohl an die Produkte als auch an die Zubereitung ist hoch.
Das nachfolgende Rezept ist inspiriert durch ein Sandwich-Rezept aus dem Bad Ape. Dort verwenden sie Rind statt Lamm, aber letztendlich ist das wurscht. Anständige Röstaromen muss das Fleisch haben, dann funktionieren Lamm, Rind, Schwein oder sogar Ente gleichermaßen gut. Ich habe für das Rezept das Sandwich weggelassen, denn so funktioniert es wunderbar als kräftige Vorspeise mit überschaubarem Kohlenhydrat-Anteil und ist bestens als Resteverwertung geeignet. Denn insbesondere am „Tag danach“, also nach einem üppigen Schmorgericht, steht einem ja schon gerne mal der Sinn nach etwas einigermaßen Leichtem ohne Knödel & Co.
Lust, eigene kreative Rezepte zu entwickeln? Kochen ist doch am schönsten, wenn es als Spielfeld dient um Kreativität und Leidenschaft sprudeln zu lassen. Auf cookin‘ findest Du zu jedem Rezept Ideen, was man mit einer oder mehrere der Zutaten noch so alles anstellen kann. Hier findest Du den Food Pairing-Baum für Rettich. Für die komplette Übersicht über alle Food Pairing-Bäume geht es hier entlang…
Zum Rezept…
Lammkeule
Reste von der Lammkeule oder einem anderen „rustikalen“ Stück Fleisch
Reste von der passenden Sauce
Das Lamm (oder was eben verfügbar ist) in der Sauce aufwärmen. Dann mit zwei Gabeln zupfen.
Eingelegter Rettich
1 Weisser Rettich
60 ml Reisessig
70 g Zucker
60 ml trockener Weißwein
Alle Zutaten außer dem Gemüse aufkochen und dann den Sud über das Gemüse geben. Eine Stunde bei Zimmertemperatur ziehen lassen, dann den Sud incl. der Gewürze abgießen.
Avocado-Creme
2 Avocado
2 Knoblauchzehen, fein gehackt
1/2 Chili
Olivenöl
Zitronensaft
Petersilie
Kerbel
Salz
Pfeffer
Das Avocado-Fleisch zerdrücken und mit den anderen Zutaten gut mischen.
Sesam-Creme
3 EL Griechischer Joghurt 10%
1 EL Tahini
Beide Zutaten gut mischen.
Anrichten
Alle Komponenten von oben
Schwarzer Sesam
Geröstet Pinienkerne
Gutes, fruchtiges Olivenöl
Petersilie
Kerbel
Das Fleisch mit einem Ring in der Tellermitte anrichten. Den Sellerie abtropfen lassen und auf das Fleisch geben. Dann Avocado, Joghurt und Kräuter aufschichten. Zuletzt Pinienkerne und Sesam darüber streuen und mit etwas Olivenöl beträufeln.
Dazu passt…
Holger Koch – Spätburgunder Alte Reben 2015
Nachdem wir vergangene Woche ja schon den Weißburgunder von Holger Koch hatten, passt hier der „einfache“ Spätburgunder aus gleichem Hause. Denn wie bei den Weißen vinifiziert Holger Koch auch seine Roten sehr klassisch und straight, schlank und ohne Schnick und Schnack. Das ist zum einen eine tolle Sache, denn Weine mit zuviel Holz/ Extrakt/ Alkohol etc. gibt es sowieso schon viel zu viele auf der Welt. Und zum anderen ergibt der Koch`sche Stil Weine, die sich phänomenal als Essensbegleiter machen. Denn sie drängen sich nicht in den Vordergrund, haben genug Kraft und überzeugen durch eine lebendige Säure, die es einfach braucht um ein guter „Food-Wein“ zu sein. Das gilt auch für den Spätburgunder Alte Reben, dem selbst der Joghurt im Gericht nicht den Garaus machen kann.
Abonniere jetzt cookin` – neue Beiträge per Mail
Applaus ist das Brot des Künstlers!
Gefällt Dir dieser Blog? Dann gib ihm doch etwas zurück und schenke ihm ein like, share oder oder oder…