Böse Charaktere

700549_web_R_K_B_by_günther gumhold_pixelio.deIch hatte schon einmal leicht angedeutet, dass ich ganz gerne mal „Sturm der Liebe“ gucke. Eigentlich ist da mein Sohn dran Schuld, weil er vor 10 Jahren immer zu dieser Tageszeit seinen Mittagsschlaf gehalten hat und man hatte ja sonst nichts zu tun. Ich bin sowieso jemand, der für dieses Genre anfällig ist. Total gerne gucke ich auch brasilianische oder mexikanische Telenovelas, da ist es noch dramatischer, noch aufregender, noch kritischer, noch leidenschaftlicher bis hin zu absurder. Aber realistisch hat man meistens im eigenen Leben genug.

Und was wären all diese Serien, ohne ihre Bösewichte? Sie machen die Serien erst sehenswert, auch wenn es teilweise sehr fraglich ist, womit man alles so durchkommen kann. Eine weitere Frage, die sich an dieser Stelle mir stellen sollte, was diese Faszination über mich aussagt. Wären wir nicht alle gerne mal ein bisschen böse? All diese negativen Energien mal fließen lassen zu können, das muss super sein. Aber da würde wahrscheinlich einem die blöde Realität einholen und man würde feststellen, dass man in Wirklichkeit mit genauso wenig durchkommt, wie man es in der Serie erwartet hätte.

Zur Zeit ist ja bei „Sturm der Liebe“ der Bösewicht, ach nee Bösewichtin immer schön gendern, die Beatrice und ich muss zugeben, ich glaube, sie ist so nach 10 Jahren, 10 Staffel und Pi mal Daumen 10 Bösewichten mein Leibling. Prinzipiell sind ja Bösewichte interessanter vor allem, wenn man ihnen nette Menschen an die Seite stellt, die ihnen etwas bedeuten, wo sie dann ganz schnell in die Gewissenszwickmühle geraten können, hin- und hergerissen zwischen dem eigenen Vorhaben und der Verbindung. Erst interessant wurden Bösewichte, in dem Fall auch Bösewichtinnen, die dann Kinder bekamen, die plötzlich Kinder hatten und befürchten mussten, sich irgendwann den Kindern gegenüber rechtfertigen zu müssen.

Im Fall Beatrice, was sie zu meinem großen Liebling macht, ich hoffe, das wird irgendwann mal aufgelöst, diese leicht selbst ironische Darstellungsweise, ob sie gewollt ist oder ist die Schauspielerin einfach nur Scheiße. Was ich meine, dieses leichte Zwinkern im Ton, wenn sie lügt, dieses Augenglitzern, wenn sie es vorträgt, diese Reaktion, die mehr als leicht übertrieben ist, wenn sie überraschend reagieren muss, kurz davor steht damit nicht durchzukommen, ich finde es genial. Ich hoffe wirklich, dass es nicht an der mangelnden Qualität der Schauspielkunst liegt, sondern gewünscht ist. Dieses Kindliche, wenn man lügen wollte und man wusste, dass es nicht wahr ist, und man musste innerlich lachen, man konnte sich das Grinsen kaum verkneifen, ich hoffe, man weiß, was ich meine. Alleine durch das Verhalten Beatrice, wenn man in dem Moment gerade einschalten würde, so wüsste man, welche Position sie gerade im Gesamten bekleidet. Wie bei „Columbo“, den liebe ich ja auch, wo man immer weiß, was Sache ist, aber der Weg dorthin spannender ist, als jedes Rätsel.

Ich gebe zu, ich habe ein seltsames Augenmerk, mich interessiert die Darstellung, die Hintergründe, das große Ganze. Manchmal fallen mir sogar die Requisiten auf, was wahrscheinlich vom jahrelangen „Monk“-gucken kommt, den liebe ich ja eigentlich auch. Gott sei Dank, spielt das Ganze hier in der Realität und ich werde mich nie zwischen „Monk“ und „Columbo“ entscheiden müssen. Aber was ich wirklich nicht verstehen kann, dass man dann doch ein bisschen den Bezug zur Realität verliert. Nicht, dass ich bei Facebook „Sturm der Liebe“ geliket hätte, aber sagen wir mal, das wäre der Fall, dass ich dann zwischendurch mal Kommentare lesen würde, wenn dann irgendwelche Schauspielerinterviews gepostet wurden, ein Hinweis in eigener Sache, ich habe noch kein einziges Schauspielerinterview angeguckt, also das fände ich dann wirklich … Nein, die Illusion muss bleiben, ich weiß, das sind alles Schauspieler und, dass es nicht real ist, und das reicht mir. Ich muss nicht mehr Zweifel sähen, wie damals, als die von den Boygroups keine Freundin gehabt haben und es nicht schlimm gewesen wäre, wenn sie eine gehabt hätten, weil es ja normal ist, und der klare Menschenverstand einem sagte, dass man sowieso nicht die Gelegenheit bekommt und trotzdem war es besser, dass sie keine Freundinnen hatten. Und trotzdem steht dann in den Kommentaren, „die Hexe da, die muss weg“. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass eine andere Darstellerin von „Sturm der Liebe“, die eine ganz Böse gespielt hatte und nicht eine von den netten mit Morgentau bedeckten zarten Pflänzchen, Morddrohungen erhalten hat und das geht, bei aller Liebe, dann doch zu weit. Ist schon ein komplexes Thema, da kann nicht jeder folgen, gruselig, was es für Menschen gibt, ich hoffe, dass es irgendwann mal eine Serie gibt mit solch einem Protagonisten. Ich würde zu gerne sehen, wie die Psyche und das Leben eines Menschen aufgebaut ist, dass er keinen anderen Ausweg sieht, als sich in die Realität einer Serie zu flüchten.

(Foto: Günter Gumhold / pixelio.de)


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