Boom der Mordgeschäfte

“Junge Welt”, 07.09.2012
Waffenexporte der Industrieländer in Krisenregionen steigen steil an

In der gegenwärtigen Krise fallen auch bei den Fabrikanten und Händlern von Militärgerät die letzten zivilisatorischen Hemmungen. Das neue Management der Rüstungssparte des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS strebe ein verstärktes Wachstum »außerhalb Europas« an, meldete die Zeitung Die Welt am Dienstag. Hierbei wollten die Waffenbauer vor allem in »Wachstumsländern wie Saudi-Arabien und Indien« Marktanteile erringen. Das »schnellebige Umfeld mit seinem harten Wettbewerb« erfordere eine Neuausrichtung der »Cassidian« getauften EADS-Waffenschmiede, deren Ziel eine »stärkere Verankerung in Wachstumsländern« sei, so deren neuer Chef Bernhard Gerwert in einem internen Rundschreiben, das dem Springer-Blatt zugespielt wurde. Zu einer intensiveren internationalen Ausrichtung von Cassidian gebe es kaum Alternativen, hieß es in Welt, da in der Krise die Rüstungsausgaben in Europa und den USA stagnierten oder gar schrumpften, während sie in Saudi-Arabien, Brasilien oder Indien kräftig anstiegen.
Die Europäer wollen mit dieser enthemmten Aufrüstung der Krisengebiete im globalen Süden klar dem US-amerikanischen Beispiel folgen, konnten doch die Rüstungsschmieden der USA im vergangenen Jahr spektakuläre Absatzerfolge in den »Entwicklungsländern« erzielen, wie US-Medien unter Verweis auf einen Bericht des Congressional Research Service Ende August verbreiteten. Demnach haben die Waffenexporte im Umfang von 66,3 Milliarden US-Dollar 2011 einen neuen Rekord erreicht, der den historischen Höchstwert von 2009 von 31 Milliarden US-Dollar auf mehr als das Doppelte steigerte. Gegenüber 2010 haben sich die Ausfuhren von Militärgerät sogar mehr als verdreifacht. Ingesamt errangen die Vereinigten Staaten auf dem globalen Waffenmarkt, auf dem 2011 Militärgerät im Wert von 85,3 Milliarden Dollar gehandelt wurde, einen Marktanteil von rund 75 Prozent!

Diese erfolgreiche Exportoffensive des Militärisch-Industriellen Komplexes der USA wurde vor allem durch die Ausfuhren in die Krisenregion des Nahen und Mittleren Ostens ermöglich, mit denen die geopolitischen Kontrahenten des Iran massiv aufgerüstet wurden. Allein Saudi-Arabien hat US-Waffensysteme im Wert von 33 Milliarden Dollar erworben, die Vereinigten Arabischen Emirate investierten rund 4,5 Milliarden, Oman gab 1,4 Milliarden Dollar aus. Auf den Einkaufslisten der Golfdespotien standen vor allem Kampfflugzeuge und Raketenabwehrsysteme. Daneben konnten US-Waffenschmieden noch größere Deals mit Indien (Transportflugzeuge) und Taiwan (»Patriot«-Raketenabwehr­system) abschließen.

Rußland, das mit Ausfuhren im Umfang von 4,8 Milliarden US-Dollar auch 2011 der zweitgrößte Waffenexporteur wurde, mußte hingegen einen massiven Einbruch von 50 Prozent bei Neuaufträgen hinnehmen, die nur noch einen Umfang von 3,69 Milliarden Dollar erreichten. Den größten Aufsteiger beim Handel mit Kriegsgerät stellt die Bundesrepublik dar, die ihre einschlägigen Ausfuhren binnen der vergangenen fünf Jahre verdoppeln konnte und im Jahr 2010 auf den dritten Platz im globalen Ranking der Waffenexporteure aufrückte. Auch in Deutschland haben die reaktionären und in Öldollars schwimmenden Golfmonarchien ihre Order bereits vorgelegt: Hunderte von modernsten »Leopard2«-Kampfpanzern wollen Saudi-Arabien und Katar erwerben – der Bundessicherheitsrat stimmte dem Verkauf von 200 »Leos« an die Saudis bereits zu.

Die Bundesregierung scheint solchen milliardenschweren Deals mit brutalsten Diktaturen auch künftig nicht abgeneigt. Mitte August kündige Sprecher Steffen Seibert an, daß man die Exportbestimmungen für deutsche Rüstungsgüter dem »europäischen Recht angleichen« werde. Umfangreiche Waffenverkäufe an Indonesien (Panzer) und Ägypten (­U-Boote) zeichnen sich bereits ab. Dabei legitimiert vor allem in Krisenzeiten das leidige Arbeitsplatzargument diese zunehmende Rücksichtslosigkeit beim Export von Kriegsgerät. In Deutschland seien 80000 Menschen in der Rüstungsindustrie beschäftigt, so Spiegel-online: »Die Rechnung ist einfach: Brummt der Export, sind die Arbeitsplätze gesichert.«

Dieser zunehmende Wettbewerb der westlichen Militärindustrie um die »Wachstumsmärkte« in den Krisenregionen des globalen Südens schlug sich bereits in der letztjährigen Handelsstatistik nieder: Mit einem Umfang von 71,5 Milliarden US-Dollar ging der Löwenanteil der globalen Waffenexporte bereits in »Entwicklungsländer«, berichtete die New York Times.


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