„L’insouciance est le seul sentiment qui puisse inspirer notre vie et ne pas disposer d’arguments pour se défendre!“
(Tollkühnheit ist das einzige Gefühl, das unser Leben inspirieren kann und findet bloß keine Argumente, um euch dagegen zu verteidigen!)
Françoise Sagan
Die 17-jährige Cécile lebt mit ihrem Vater Raymond in Paris. Ihre Mutter ist früh gestorben, erst vor 2 Jahren holte Raymond seine Tochter aus einem Internat zu sich nach Hause. Seitdem genießen die beiden das leichte Leben reicher Leute. Raymond, großzügig, charmant und gutaussehend, wechselt seine Geliebten mindestens alle paar Monate. Für Cécile ist er mehr bester Freund als Vater, sie steht für ihn an oberster Stelle.
Den Sommer wollen beide zusammen mit Raymonds jüngster Eroberung, Elsa Mackenbourg, in einer Villa an der Côte d’Azur verbringen. Die drei führen ein unbeschwertes Leben zwischen Strand, Villa und Partys. Cécile macht sich keine Gedanken um die Zukunft, obwohl sie gerade durch ihre Prüfungen gerauscht ist. Sie lebt im Hier und Jetzt.
Kurz nach ihrer Ankunft in der Villa lernt Cécile den Jurastudenten Cyril kennen.
Ich hatte nicht viel übrig für die Jugend. Ich zog die Freunde meines Vaters vor, Männer von vierzig, die mich mit ausgesuchter, fast gerührter Höflichkeit behandelten und mir mit einer Zartheit begegneten, in der etwas von einem Vater und etwas von einem Liebhaber war.
Trotzdem verlieben sich Cyril und Cécile ineinander.
Die Idylle wird gestört durch den Besuch der Designerin Anne Larsen, einer Freundin von Céciles verstorbener Mutter. In kürzester Zeit stülpt die gebildete und kultivierte Anne den Alltag in der Villa um, verdonnert Cécile zum Lernen und verbietet ihr den Umgang mit Cyril.
„Du solltest eigentlich wissen, dass diese Art von Vergnügen gewöhnlich in einer Klinik endet.“
Cécile hat das ungute Gefühl, Anne könnte in ihrem Vater mehr sehen als einen guten Freund und tatsächlich scheinen sich ihre Befürchtungen zu bewahrheiten.
An einem gemeinsamen Abend in Cannes, den Raymond nicht mit seiner Geliebten, sondern mit Anne im Auto verbringt, merkt auch Elsa, dass nichts mehr ist wie vorher und zieht vorerst aus der Villa aus.
Am nächsten Morgen verkünden Raymond und Anne, sie wollten heiraten.
Das würde unser ganzes Leben ändern. Unsere Unabhängigkeit war verloren. Ich sah es schon vor mir, unser Leben zu dritt: An der Seite der intelligenten und kultivierten Anne würden wir plötzlich ausgeglichene Menschen werden und jenes Leben führen, um das ich sie bisher beneidet hatte. Mit klugen, feinsinnigen Freunden, ruhigen, glücklichen Abenden …
Hin und her gerissen zwischen Bewunderung und Abscheu, spinnt Cécile eine Intrige, um Anne aus dem Leben ihres Vaters und damit auch aus ihrem eigenen Leben zu verbannen.
Mit Cyril spielt sie dabei ebenso wie mit Anne, er meint es ernst mit ihr, macht ihr sogar einen Heiratsantrag.
Immer wieder steht Cécile kurz davor, Anne an der Seite Raymonds zu akzeptieren, aber nach und nach entwickelt die Intrige ein Eigenleben, das Cécile nicht aufhalten kann. Mit fatalen Folgen…
Das Buch, leicht geschrieben und verständlich, zum Zeitpunkt des Erscheinens absolut anrüchig, schlägt heute, betrachtet man die Handlung, keine Wellen der Empörung mehr. Was es zeigt ist eine ganz eigene Stimmung, eine sommerliche, betrübte Atmosphäre mit nachvollziehbaren Charakteren frei von Klischees.
„Bonjour Tristesse“ bietet absatzweise gar Stoff für Diskussionen und insgesamt ein luftiges Lesevergnügen, perfekt für den Sommer und zugleich für jede andere Jahreszeit, es ist eine Art Sepia-Fotografie und das Vermächtnis einer sagenhaften Autorin, deren exzessives Leben leider nur ansatzweise in ihren Büchern auftaucht, die in Anbetracht dieser Frau sogar erstaunlich brav wirken.
Françoise Sagan. Ikone einer Generation und noch heute eine der bekanntesten, französischen Schriftstellerinnen.
Am 21. Juni 1935 in Cajarc, Lot geboren, entstammte Sagan, mit bürgerlichem Namen übrigens Quoirez, einer angesehenen Industriellenfamilie. Ihr Literatur-Studium an der Pariser Sorbonne brach sie ab, schrieb stattdessen ein Buch, wie sie es ihren Freunden immer prophezeit hatte. „Bonjour Tristesse“ machte sie über Nacht berühmt, brachte ihr zahlreiche Preise ein und sorgte für einen riesigen Skandal. Ihren Eltern zuliebe nahm sie ein Pseudonym an, Sagan nach der Romanfigur Boson de Sagan von Marcel Proust.
Als Autorin schrieb sie nicht nur Bücher, ebenso Theaterstücke und andere Drehbücher, Ballette, Chansons, Reiseberichte. Immer wiederkehrendes Thema waren dabei reiche Männer und besonders Frauen, die das Geld hätten, sich alle Wünsche zu erfüllen und dennoch mit der scheinbaren Sinnlosigkeit des Lebens nicht fertig werden.
Sagan, eine enge Freundin Jean-Paul Sartres, stand dem Existenzialismus nicht fern. Ihr waren die Probleme ihrer Figuren nicht fremd.
Sagans Leben, das sind fast vierzig Romane und Theaterstücke und unzählige weitere Werke und Fragmente, das sind zwei gescheiterte Ehen und ein Sohn, unzählige Affären, inspirierende, tiefgründige und oberflächliche Freundschaften zu den angesehensten Intellektuellen und Künstlern ihrer Zeit.
Denkt man an Françoise Sagan, denkt man an endlose Partys, Alkohol und Drogen, aber auch an unbezwingbare Lebensgier und ihr beinahe selbstzerstörerischer Drang nach Freiheit. Sie liebte schnelle Autos und Kasinos, ertrug Bewährungsstrafen wegen Kokainkonsums und Steuerhinterziehung und verschuldete sich schließlich so sehr, dass sie ihr Anwesen in Honfleur verkaufen musste.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in ihrer alten Villa, die von der Witwe eines ihrer Freunde gekauft worden war, starb schließlich verarmt mit nur 69 Jahren an einer Lungenembolie.
Von ihrer eigenen Kunst war sie niemals überzeugt und trotzdem waren die Drogen für sie nicht Ansporn für Romane, sie wusste selbst, dass sie auch ohne das alles schreiben könnte, sie nahm aus purer Lust und weil sie über sich selbst bestimmen wollte.
Der französische Literaturpreisträger François Mauriac nannte sie ein „kleines, charmantes Monster“.