Anders ist es, wenn eine exotische Fellfarbe durch Defektgene erzeugt wird, die zulasten der Gesundheit der Hunde gehen. Dieses Risiko birgt das Defektgen Merle. Und dieses Risiko soll der bis heute noch erfreulich gesunden Hunderasse Bolonka Zwetna aufgebürdet werden, hier und heute.
Bolonka Zwetna, gerade erst vom VDH anerkannte Hunderasse aus Russland
Der Merle-Faktor ist ein Gendefekt, durch den das Eumelanin, das die schwarze und braune Fellfarbe bewirkt, gestört ist und in dessen Folge bestimmte Aufhellungen und unregelmäßige weiße Flecken in Fell entstehen. Auch die Augen können betroffen sein und erscheinen dann hellblau oder auch farblos.Das sind aber nur die sichtbare Folgen. Die unsichtbaren kommen besonders dann in Erscheinung, wenn beide Eltern dieses Defektgen tragen und es im Nachwuchs zu homozygoten Merle-Trägern kommt. Diese sind nicht selten taub, blind, kränklich und sterben oft noch im Jugendalter.
Ein Gendefekt wird seit 150 Jahren kultiviert
Merle ist eine Mutation, die schon sehr lange bei Hunden beobachtet wird. Bereits der römische Schriftsteller und Naturwissenschaftler Columella erwähnt sie. Auf zahlreichen historischen Gemälden werden Hunde mit Merle-Farben abgebildet. Aber erst mit dem Aufkommen der modernen Rassehundezucht im 19. Jahrhundert wurde Merle gezielt züchterisch vermehrt, insbesondere bei Collies, Deutschen Doggen oder auch Dackeln. Heute verzichtet man glücklicherweise weitgehend auf die Zucht so genannten Tiger-Dackel (siehe Foto). In einigen Rassestandards ist Merle ausdrücklich als eine Farbvariante erlaubt.
So genannter Tiger-Dackel (Merle), Zeichnung von 1894
Die Befürworter der Merlezucht behaupten, dass mischerbiges Merle keine Gesundheitsrisiken berge. Das ist ein frommer Wunsch, der leider keinen wissenschaftlichen Beleg hat. Vielmehr bestätigt eine neuere Untersuchung den Verdacht, dass auch heterozygotes Merle gesundheitliche Risiken bergen kann (Strain 2009). Aber auch diese Untersuchung ist noch kein abschließender Beleg. Tatsache ist, dass die Wissenschaft das Feld der Fellfarben bisher kaum erschöpfend untersucht hat. Das Thema Fellfarben ist wesentlich komplexer, als man vermuten könnte. Der Artikel auf Wikipedia gibt hier einen ersten Eindruck (http://de.wikipedia.org/wiki/Fellfarben_der_Hunde). Erst 2006 wurde das Merle-Gen überhaupt lokalisiert und damit erst die Grundlage fundierter Untersuchungen gelegt. Klar ist aber, dass die Mutationen, die besondere Farbvarianten erzeugen, in vielen Fällen auch andere, zunächst nicht sichtbare Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Und klar ist ebenfalls, dass derselbe Gendefekt bei verschiedenen Hunderassen unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Wir müssen also zur Kenntnis nehmen, dass wir uns beim Thema Farben auf einem Feld bewegen, das in weiten Teilen ein weißer Fleck auf der Landkarte der Forschung ist.Züchter sollten genug zu tun haben, mental und körperlich gesunde Hunde zu züchten...
Gerade deshalb sollte seriöse Zucht, die das Wohl und die Gesundheit der Hunde respektiert, sehr zurückhaltend agieren und keine unnötigen Risiken eingehen. Züchter und Zuchtvereine, die bewusst mit Defektgenen arbeiten, sollten erst einmal den Nachweis erbringen, dass keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen möglich sind. Ansonsten sollte man im Interesse des Wohls seiner Hunderasse darauf verzichten. Ein weiterer Aspekt ist die Einschränkung der Zuchtauswahl in Verbindung mit Defektgenen. Da reinerbige Träger von Defektgenen mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Schäden haben werden, achtet man mindestens auf eine Verpaarung von Carrier mit Nicht-Carrier. In den meisten Rasse-Populationen ist zum einen ein schon bedenklich hoher Inzuchtgrad erreicht und zudem mehrere Erbkrankheiten gehäuft vorhanden. Da hat man eh Probleme, geeignete Partner zu finden. Diese Probleme werden nun lediglich wegen einer Farbvariante ohne Not weiter verschärft. Das sollte im Interesse der Population vermieden werden.
... und nicht auch noch zusätzliche Probleme in die Hunderassen holen
Ein Artikel von Christoph Jung, zuerst erschienen bei "Stop! Gegen Merle beim Bolonka"
Fotos: Ina Stühmer