Der Club-Fan kriegt feuchte Augen, wenn er an das Jahr 1968 denkt (Deutscher Meister!). Dem fränkischen Rock-Fan passiert Ähnliches, wenn er auf das Jahr 1978 zurückblickt: Bob Dylan live auf dem Reichsparteitagsgelände (am Samstag, 1. Juli). Mit diesem hoch symbolischen Open-Air-Konzert wurde ein Paradigmenwechsel in der Nutzung dieses Geländes eingeleitet. Wo in der NS-Zeit der Führer Adolf Hitler die Massen zu Krieg und Völkermord aufgehetzt hatte, klagte nun der Messias des Folk-Rock die „Masters Of War“ an: The Times They Are A‘Changing! Zwölf Jahre später (1994) fand auf dem Reichsparteitagsgelände ein weiteres denkwürdiges Konzert statt - allerdings nur für die in Süddeutschland stationierten US-Soldaten. Dabei erinnerte sich der Singer/Songwriter Billy Joel an seine familiären Wurzeln in Nürnberg, an seinen Großvater, der hier einen großen Wäscheversand aufgezogen hatte, dann aber angesichts der dramatisch zugespitzten Judenverfolgung das Land verlassen und die Firma an den arischen Herrn Neckermann verkaufen musste.
Mit einem unterhaltsamen multimedialen „Gesprächskonzert“ im naheliegenden Dokuzentrum gedachte NN-Feuilleton-Chef Steffen Radlmaier dieser beiden historischen Konzerte, er hatte sich für das Unterfangen eine Reihe kompetenter Zeitzeugen und musikalischer Interpreten eingeladen. Ernst Schultz (Ex-Ihre-Kinder) präsentierte als kompetenter Dylan-Übersetzer mit seinem Gitarristen Holger Stamm eine Reihe berühmter Dylan-Songs. Rainer Kemmether und Helmut Ölschlegel erzählten von den Möglichkeiten des Pressefotografen beim Dylan-Konzert und warfen ein paar eindrucksvolle Bilddokumente an die Leinwand. Helmut Haberkamm erinnerte sich mit der Erzählung „33 - 45 - 78“ an den Besuch des Konzerts als 16jähriges Land-Ei. Hirsch-Hausherr Peter Harasim berichtete schließlich, wie er es wenig später schaffte, die „Einstürzenden Neubauten“ aus Berlin für ein (einmaliges!) Konzert im Goldenen Saal der Zeppelintribüne zu gewinnen. Der Mainzer Sportjournalist Stefan Kiefer hatte schließlich noch ein paar technisch astreine Bootleg-Aufnahmen des Dylan-Auftritts auf seiner Festplatte.
Der zweite Teil des Abends widmete sich dem Künstler Billy Joel und seinen Nürnberger Wurzeln. Dazu hat Steffen Radlmaier ein lesenswertes Buch geschrieben („Die Joel Story: Billy Joel und seine deutsch-jüdische Familiengeschichte“). Seiner Initiative ist es auch zu verdanken, dass Billy Joel dazu überredet werden konnte, 1995 in der Nürnberger Meistersingerhalle zwei sogenannte „Questions & Answers“-Konzerte zu geben. Matthias Oberth - damals im Presseamt der Stadt Nürnberg - berichtete launig von Hürden, die vorher überwunden werden mussten. Dazu gab es hörenswerte Cover-Versionen von Billy-Joel-Songs mit Stefan Angele (voc) und Werner Kandzora (piano). Ca. 200 nostalgiefreudige Zuhörer folgten gespannt dem langen Abend, den man auch als Double-Feature auf zwei Tage hätte strecken können.