Blur: Alles drin

Blur: Alles drinBlur
„The Magic Whip“

(Parlophone)
Man kann sich dem neuen Album von Blur ja auf verschiedene Weise nähern: Holt man weit aus, gerät man mittenrein in die Zeit der Glaubenskriege, des Entweder-Oder, der Britpop-Battles – Anfang der Neunziger musste man sich entscheiden, da hieß es Oasis vs. Blur, dicke Lippe gegen smarte Lässigkeit. Ein paar tolle Platten später war Britpop durch, die Gallaghers machten nun in Stadionrock/Sparte: überflüssig und Blur verkopften zusehends in Abwesenheit ihres Gitarristen Graham Coxon. Stand heute sind zwar auch Oasis perdu, das Brüderpaar allerdings, dessen Elan sich bis zum Splitt einzig in wilden Beschimpfungen erschöpfte, brilliert mit neuem Schwung auf Solopfaden und auch Damon Albarn, dem Vielbeschäftigten, ist 2014 ein wirklich erstklassiger Alleingang („Everyday Robots“) gelungen. Die Frage muss also, zwölf Jahre nach dem mäßig erfolgreichen „Think Tank“ und mit einem versöhnten Coxon an Bord, lauten: Was ist drin und wenn ja wieviel?
Nun – von allem etwas und das zu gleichen Teilen. Erfreulich: Es gibt eine ganze Reihe Songs auf „The Magic Whip“, die mühelos an die glorreichen Zeiten der Band anknüpfen können, Stücke also wie „Lonesome Streets“, „Go Out“ und „Ghost Ship“ mit der vertrauten, coolen Verschlurftheit – da scheppern hübsch verzwirbelte Gitarrenhooks zu clever variierten Drumsections, die Elektronik ist nicht übertrieben experimentell, sondern wohl dosiert. Dazu hört man aber auch jede Menge dieser weltgewandten ‚Albarn-Momente‘, die immer ein wenig an Coppolas‘ „Lost In Translation“ erinnern – einsame Selbstreflexionen mit einem Übermaß an Melancholie. „New World Towers“, „Thought I Was A Spaceman“ oder auch „My Terracotta Heart“, schon die Titel allein sind Wegweiser zum Albarn’schen Gedankenkosmos zwischen trauriger Weltverlorenheit und anhaltender, kindlicher Begeisterung.
Dazwischen finden sich ein paar Nummern, die sich einer Schublade eher verweigern, der verspielte „Ice Cream Man“ gehört ebenso dazu wie die punkige Clash-Referenz „I Broadcast“. Bei „Ong Ong“ und „Pyongyang“ wird man kurz daran erinnert, dass die Kunst des Weglassens auch keine kleine ist, geschenkt – warum nicht auch mal den dargebotenen Longdrink samt Sonnenschirmchen nehmen, wenn er denn so verführerisch in der Abendsonne glitzert. Die Gesamtleistung des Quartetts wird dadurch jedenfalls nicht geschmälert, sie haben es tatsächlich geschafft, auf „The Magic Whip“ (wie man platterweise gern sagt) Tradition und Moderne zu verbinden und das Ergebnis klingt beileibe nicht so, als würden ein paar Berufsjugendliche auf dem letzten Retroloch pfeifen. Man darf also gespannt sein, ob auch Mogwai wieder ein passendes Shirt zum Comeback am Start haben … http://www.blur.co.uk/de

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