Blumen gießen bei Tante Ulrike

Tante Ulrike mochte ich sehr, sie kaute immer Wrigley Spearmint Gum,  den ihr Tante Klara aus Hamburg schickte. Tante Ulrike fuhr oft in den Urlaub ans Schwarze Meer, nach Bulgarien und Ungarn.

Mama und ich gossen in dieser  Zeit die Blumen im Wintergarten der Plattenbauwohnung, einem verglasten Balkon. Der Perserkater Felix lag meist unter’m Gummibaum.

In der Wohnung liefen wir sockfuß über schwere orientalische Teppiche, staubten ebenso schwere Möbel ab.

“Bürgertum” sagte Mama, in meiner Erinnerung, wertfrei. Großvater lebte als Schweinezuchtmeister mondäner, fast allein in einem Gutsherrenhaus in einem abgelegenen Dorf.

„Uranabbau“ hatte jemand gesagt und „Normbrecher“.

Opa war Arbeiterklasse, nicht Bürgertum, die Erklärungen von Mama verstand ich nicht.

Tante Ulrike und Onkel Andre waren bürgerlich, vielleicht wegen des Kaugummis.

“Leute wie die, machen unsere Partei kaputt“, hatte mein Vater immer wieder gesagt. Im Schlafzimmer von Tante Ulrike standen am Ende des Bettes ,die nicht sehenden, hörenden und sprechenden Affen.

Manchmal luden Tante Ulrike und Gatte uns zum Dia-Abend ein. Meist nach einem Urlaub. Sie wollten uns an den Schönheiten Bulgariens oder Ungarns teilhaben zu lassen. Ich staunte über Knoblauchzöpfe.

Ich mochte Ferien in Wernigerode gern, da gab es Esel auf denen man reiten konnte und göttlich schmeckende Brötchen.

“Leute wie die, mein Vater meinte damit Tante Ulrike und Onkel Andre, haben uns den Sozialismus kaputt gemacht“, sagte mein Vater manchmal.

Die Wende kam.

Die Datsche von Tante Ulrike wurde nun Hauptdomizil mit angrenzenden Swimmingpool. Perserkater inklusive.


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