Seit Jahren ist Stefan gern gesehener Gastvorleser in Schulen und Kitas. Schön ist es immer aber bisher meist auch niedlich. 20 kleine Zappler mit Zöpfchen, rosa Strumpfhosen und Minijeansträger mit Harry-Potter-Brillen staunen ihn an. Während ich mich, als alterndes Schneewittchen auf einen Kinderstuhl gequetscht, königlich freue.
Heute war es anders. Eingeladen von der Schulleiterin Frau Lietzau und den Lehrerinnen der 5. und 6. Klassen Frau Sonneborn und Frau Bartels traf Stefan in der Schulbibliothek der Thomas-Mann-Grundschule in der Greifenhagener Straße auf richtig „Große“. Bevor Stefan aus ihrem Wunschbuch „Die rote Zora“ von Kurt Held vorlesen konnte, wollte er sich vorstellen. Da gab es die erste Überraschung. Die Kinder wussten schon ganz genau Bescheid: Politiker, Linker, Direktkandidat zur Bundestagswahl, auch jetzt wieder zuständig für Pankow und eine U18 Wahl hatten sie auch schon gemacht. Da wird manch Pankower Erwachsener blass.
In der Geschichte von der „roten Zora“, die den Name ihrer roten Haarpracht verdankt, wird der kleine Branko in einem kroatischen Städtchen zu unrecht beschuldigt, einen Fisch geklaut zu haben. Daraufhin wird er eingesperrt kann sich aber mit der Hilfe der roten Zora, Anführerin einer Kinderbande, befreien.
Ein klassischer Fall also von Recht und Unrecht, ist Stehlen überhaupt Unrecht wenn man doch Hunger hat. Stefan versuchte zunächst das Unrecht mit Hilfe der Geschichte um die Steuerschulden des Präsidenten von Bayern München Uli Hoeneß zu illustrieren. Das war den Kindern zu abstrakt. Ihnen gefielen die Beispiele von „ausversehen“ mitgenommenen Laptops und genaschten Weintrauben viel besser. Die Kinder waren bei der Diskussion mit dem Herzen dabei. So wurde das Strafmaß für Diebstahl für jede in Frage kommende Altersstufe abgefragt, ob Kinder auch ins Gefängnis kommen und was es mit dem Satz „Eltern haften für ihre Kinder“ auf sich hat. Sie waren echt beruhigt, als „Kommissar Liebich“ mitteilte, dass weder sie noch ihre Eltern wegen ihrer Missetaten verhaftet werden. Das Strafmaß würde sich wohl auf Stubenarrest und Taschengeldentzug beschränken.
Nachdem Stefan mit seinen Kenntnissen über Kleinkriminalität am Ende war, erinnerte Frau Sonneborn die Kinder ihres Demokratiekurses daran, dass sie doch noch Fragen zur Wahl hätten. Die hatten sie tatsächlich und verblüfften aufs Neue: „Was will die Linke unternehmen, damit sie bei der nächsten Wahl auch ihre Altersstufe für sich gewinnt?“, oder „Wie werden nicht gehaltene Wahlversprechen bestraft?“ und schließlich, ganz direkt, „Bluffen Sie, Herr Liebich?