Daniela Winterfeld (c) Jenny Woste
Chrisy: Wie kamst du auf die Idee zu deinem Buch "Der geheime Name"?Daniela: Die Idee zu "Der geheime Name" war eine Blitzidee, die von einem Moment auf den anderen in meinem Kopf einschlug und mich sofort begeistert hat. Den Ausschlag dazu gab ein Telefonat mit meiner Agentin. Ich war gerade dabei, ein paar Ideen zu sortieren, zu denen ich für Droemer Knaur ein Exposé schreiben wollte. Ich hatte schon einiges im Kopf, aber nichts davon war wirklich fertig. Darüber hab ich also mit meiner Agentin gesprochen und dann sind wir vom Thema abgekommen und haben uns darüber unterhalten, dass Märchenadaptionen gerade sehr aktuell sind. Wir sind ein bisschen im Kopf durchgegangen, welche Märchen schon in Romanen verarbeitet sind - und plötzlich meinte Anja (meine Agentin): "Warum nimmst du nicht Rumpelstilzchen?" Und in dem Moment hat der Blitz eingeschlagen. Urplötzlich hatte ich die Frage im Kopf, wozu dieser hässliche kleine Wicht die Baby-Tochter der Königin eigentlich unbedingt haben wollte. Wenn man erst mal soweit denkt, dann liegt die gruselige Antwort auf der Hand, und ich wusste, dass ich das Märchen aus einer neuen Perspektive erzählen muss: Aus Sicht der versprochenen Tochter, die mit ihrer Mutter auf der Flucht lebt und nicht ahnt, vor wem sie eigentlich schon ihr Leben lang flieht.Captaincow: Hattest du als Kind ein Lieblingsmärchen? Und wenn ja, welches und warum?Daniela: Da muss ich glatt mal überlegen. Ja, ich hatte ein Lieblingsmärchen - aber warte, ich muss jetzt erst mal nachschauen, wie es eigentlich hieß: So, geschafft. Es hieß "Hans und die Zauberbohne", darin geht es um den armen Jungen Hans, der mit seiner Mutter allein lebt. Beide haben nichts mehr außer einer Kuh und Hans soll die Kuh zum Markt bringen und verkaufen. Aber unterwegs begegnet er einem Männlein, das ihm im Tausch für die Kuh ein paar Zauberbohnen anbietet. Hans (der nicht grad der klügste ist) willigt ein. Die Mutter schimpft aber ganz grässlich mit ihm und wirft die scheinbar nutzlosen Bohnen aus dem Fenster. Dort wachsen sie über Nacht zu einer Ranke, die bis in den Himmel reicht und Hans klettert daran hinauf. Oben findet er das Schloss eines Riesen und es gelingt ihm, dem Riesen allerhand Gold zu entwenden. Damit bekommt die Geschichte ein Happy End und ich glaube, in meiner Version hat Hans am Ende auch noch die geliebte Kuh zurückgekauft.
Damit kommen wir auch schon zu dem Grund, warum das mein Lieblingsmärchen war: Ich fand die Kuh so süß (ich weiß noch genau, wie sie in meinem Buch aussah, kuscheliges braunes Fell, weißes Maul, große treue Augen) ;-) Also eigentlich mochte ich vor allem den Anfang mit der Kuh und das Happy End mit der Kuh. Mein zweitliebstes Märchen war dann auch Brüderchen und Schwesterchen - wegen dem Reh. Rumpelstilzchen mochte ich eigentlich nicht so gerne. Dem hässlichen Kerlchen konnte ich nichts abgewinnen, die Müllerstochter heiratet zwar den König, aber einen, der sie vorher umbringen wollte, wenn sie ihm kein Gold spinnen kann (was ist das eigentlich für eine fragwürdige Liebesgeschichte?) und das Baby ist noch zu klein, um sich mit ihm zu identifizieren. Dieses Märchen hat mich also erst aus Erwachsenensicht fasziniert, weil darin eine Menge böser Themen enthalten sind, die man sich mal genüsslich auf der Zunge zergehen lassen muss :-)
Captaincow: Warum hast du dich in deinem Buch für genau dieses Moor entschieden und nicht einen anderen Schauplatz gewählt?Daniela: Es war von vorneherein klar, dass das Buch in Deutschland spielen sollte. Zum einen, weil der Verlag sich das gewünscht hat und zum anderen, weil ich bis dahin alle meine Romane in Deutschland angelegt hatte und damit immer sehr zufrieden war. Klar, wenn man sich das echte, bis in jeden Winkel erschlossene Deutschland anschaut, fällt es vielleicht ein wenig schwer, sich hier ein Fantasysetting vorzustellen. Aber genau das macht für mich den Reiz aus - eine Welt zu schaffen, die ganz nah ist, die wir täglich streifen, ohne sie wahrzunehmen, und die trotzdem so erklärt wird, dass sie echt sein könnte. Während ich dann über die Geschichte nachgedacht habe, bin ich ziemlich schnell darauf gekommen, dass ich den Geheimen gerne in einem Moor ansiedeln würde. Welches Moor das sein sollte, musste ich mir allerdings erst noch überlegen. Ich habe dann eine ganze Weile recherchiert, welche Moore es in Deutschland gibt. Dabei sollte es eines sein, das noch aktiv ist (viele sind trockengelegt), es sollte mindestens komplett renaturiert sein (viele sind vom Torfstechen so ausgebeutet, dass sie ihren ursprünglichen Charakter fast komplett verloren haben) und es sollte von Wald umgeben sein. Ach ja genau: Und natürlich sollte es möglichst groß sein. Wenn man die deutschen Moore nach diesen Kriterien sortiert, bleiben nicht mehr endlos viele übrig. Von denen habe ich mir dann das ausgesucht, was auf den Fotos im Internet am urigsten aussah und was gleichzeitig nah genug war, um mal einen kleinen Wochenendtrip dahin zu organisieren ;-) So kam ich also auf das Grundlose Moor in Ebbingen.
Manja:Wie kamst du auf die Namen Fina und Mora?Daniela: Den richtigen Namen für einen Protagonisten zu finden, ist häufig eine sehr schwierige Aufgabe. Oft schaue ich mich auf Namenseiten um, bis ich etwas Passendes gefunden habe. Manchmal schreibe ich aber auch das halbe Konzept mit einem wahllosen Namen und bin ganz genervt, dass mir einfach kein Name einfallen will, der wirklich gut passt. Auch Fina hat ihren Namen in der Exposéphase einmal gewechselt. Im ersten Entwurf habe ich sie Stina genannt. Aber meine Lektorin fand, dass der Name zu hart klingt. Also hab ich es in Fina geändert. Der Name Mora hingegen war ganz einfach. Sobald ich die ersten Ideen zu seinem Charakter hatte, fiel mir der Name einfach ein und hat sich von da an nicht mehr geändert. Ich vermute ja fast, dass mein Unterbewusstsein ihn von dem Wort Moor abgeleitet hat ;-). Aber später hatte ich dann noch einen ziemlich magischen Moment mit diesem Namen. Das war in der Szene, in der Fina ein Anagramm daraus bildet. Während ich die Szene geschrieben habe, ging es mir wie ihr: Mir fiel plötzlich auf, dass Moras Name einen Hinweis liefert, wenn man die Buchstaben umstellt. (Mehr dazu sag ich hier jetzt nicht ;-))
Chrisy: Was hast du dabei empfunden, als du Fina und Mora durch so eine harte Zeit hast gehen lassen: die Träume, die Misshandlung? War es schwer, so etwas in Worte zu fassen?Daniela: Ich fürchte, da muss ich jetzt zugeben, dass es mir nicht schwerfällt, meine Figuren leiden zu lassen *g*. Ich liebe die dramatischen und düsteren Momente in Büchern und ich versetze mich sehr gerne in all diese Rollen. Es ist ja nicht so, dass ich den Figuren das nur "antue" und dann dabei zuschaue. Nein. Ich versuche, bei ihnen zu sein, wenn sie leiden. Ich stelle mir ihre Gefühle und Schmerzen vor und die Worte finden sich dann ganz von allein. Wenn es dabei allzu hart wird, benutze ich eine sanftere Sprache, damit die Härte erträglich bleibt. Aber ich selbst habe keine innere Grenze, über die ich mich nicht wagen würde. Ich blicke den menschlichen Abgründen gerne ins Auge und spiele sie in Gedanken durch. Ein Astrologe würde jetzt wahrscheinlich sagen, das liegt daran, dass ich ein Skorpion bin ;-) Und womöglich hätte er damit sogar recht - zumindest denke ich immer "ach deshalb schreibe ich solche Bücher", wenn ich lese, was angeblich typisch Skorpion ist *g*
Tintenmeer:Wusstest du immer genau, wohin es mit Fina und Mora gehen soll, oder hast du sie auch manchmal in den verschlungenen Pfaden des Grundlosen Moores verloren und musstest sie erst "wiederfinden"?Daniela: Da ich mir immer ein sehr genaues Konzept erarbeite, bevor ich mit einem Roman beginne, wusste ich beim Schreiben immer ganz genau, wohin uns die Geschichte als nächstes führen soll. Tatsächlich hat das bei "Der geheime Name" auch sehr gut funktioniert. Ich bin auf keinerlei Irrwege geraten und konnte das ursprüngliche Konzept bis zum Schluss beibehalten. Das was mich zwischendrin überrascht hat und neu für mich war, waren also eher die Kleinigkeiten: Die Gefühle von Fina und Mora, die Art, wie sie aufeinander zugehen und die Gedanken, die sie sich zu ihrer Situation machen. Dabei habe ich sie mehr und mehr kennengelernt und bin ihnen immer näher gekommen. Und na klar, manchmal habe ich auch noch das ein oder andere dramatische Detail erfunden, was mir in meinem Konzept noch fehlte. Aber das blieb alles innerhalb des vorgesehenen Weges ;-)
mithrandir: Ich habe gehört, dass aufgrund Deines Romans eine Bloggerin aufgebrochen ist, um Nachforschungen anzustellen. Doch nun ist sie einfach verschwunden und das einzige Lebenszeichen, das von ihr existiert, ist ihre Nachricht auf ihrem Blog. Was empfindest Du dabei?Daniela: Also ehrlich gesagt. Ich kann ja noch nicht so ganz glauben, dass das wirklich wahr sein soll. Clee soll also im Moor verschwunden sein und ist dort dem Männchen begegnet? Ich selbst war im Grundlosen Moor, um dort zu recherchieren. Ich habe natürlich gar nicht versucht, dort ein Salztor zu streuen, wie Clee das getan hat. Aber, Hhm., an manchen Stellen war es schon etwas unheimlich dort und an unserem ersten Tag haben wir den Wanderweg verloren und uns verlaufen, genauso, wie es Clee passiert ist. Aber trotzdem. Im Moment hoffe ich ja noch, dass sie uns einfach einen genialen Streich spielt. Sie ist zweifellos eine sehr talentierte Autorin und ihre Geschichte ist so hautnah beschrieben, dass man sie am liebsten glauben möchte – aber ich kenne das ja von mir selbst. Wir Autoren tun ja in der Regel nur so, als wären unsere Geschichten echt. Aber ein bisschen mulmig ist mir nun doch. Solange Clee sich nicht meldet, lässt mich diese Geschichte schon ein wenig zweifeln. Manchmal haben Figuren und Geschichten beim Schreiben eine derartige Dynamik, dass sie einem fast echt vorkommen, fast so, als würde eine unbewusste Stimme das alles in meine Gedanken flüstern. Bei diesem Buch ging mir das auch so. Aber, ach nein. Das bilde ich mir wohl nur ein. Vergesst, was ich gerade gesagt habe.
Chrisy: Hast Du nicht Angst, dass andere Clees Beispiel folgen könnten?Daniela: Oh nein! Bitte nicht! Also, wenn irgendwer von euch jetzt auf die Idee kommt, sich auch noch dort ins Moor zu schleichen – dann muss ich an dieser Stelle mal dringend darauf hinweisen, dass ihr das auf eure eigene Verantwortung tut! Auch, wenn ich Clees Geschichte noch nicht so ganz glauben kann – also, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie doch wahr ist: Haltet Euch fern von diesem Moor!!! Und wenn ihr es nicht lassen könnt und dort spazieren gehen wollt – lasst eure Salzvorräte bloß zuhause! Das müsst ihr mir versprechen!
Mithrandir: Also ist es so gesehen nicht unverantwortlich, ein Buch über einen so gefährlichen Ort zu schreiben?Daniela: Ach herrje – wenn ich so etwas geahnt hätte. Wenn ich auch nur ein kleines bisschen damit gerechnet hätte, dass ich eine WAHRE Geschichte schreibe, dann ist es natürlich vollkommen unverantwortlich. Aber ich bin ja immer davon ausgegangen, eine fiktive Geschichte zu schreiben. Ach Quatsch. Was rede ich denn da: ich habe BESTIMMT eine fiktive Geschichte geschrieben. Ihr wollt mich hier nur allesamt aus der Reserve locken! Ganz ruhig, durchatmen. Also, jetzt mal ganz langsam: Ich rufe Clee derzeit alle paar Stunden an. Ich habe ihre Handynummer leider nicht, sondern nur die von ihrem Festnetz. Dort nimmt sie tatsächlich nicht ab. Aber ich wette, sie kommt bald von ihren Weihnachtsbesuchen zurück und ruft uns dann ein munteres „April, April“ zu. Also Kopf hoch: Das wird schon :-)Ihr wollt Daniela auch eine Frage stellen? Dann nur zu - hinterlässt einfach einen Kommentar unter diesem Post. Und das tolle dabei: Ihr habt namlich dadurch die Chance etwas zu gewinnen - nämlich eines von 5 Exemplaren von "Der geheime Name".Übrigens: Morgen macht die Blogtour bei Petra halt (alle weiteren Tourdaten hier) - also schaut auch bei ihr vorbei.