Das ist also mein Blog-Beitrag Nr. 1000! Und heute Morgen hat irgendjemand auch noch den 200.000 en Klick getan.
Ein herzliches Dankeschön an alle Leser meines Blogs und für die vielen netten Kommentare auch per Mail und auf FB.
Hierfür sollte es heute dann schon etwas besonderes geben und deshalb habe ich mir auch etwas spezielles überlegt.
Neulich kam per E-Mail eine Anfrage von einer Journalistin, die ein Buch über das Markgräflerland schreiben möchte. Dabei hat sie sich die Frage gestellt, wie eigentlich die Scharwaie entstanden ist, und wer auf die Idee kam, die Waie rautenförmig einzuschneiden, mit Öl zu bestreichen und mit Salz zu bestreuen.
Ratlosigkeit bei allen Markgräflern, die ich befragt habe und bei denen ich dachte, sie könnten noch etwas von Früher erzählen. „Ja, das hat man halt so gemacht….” war meist die Antwort.
Klar war allen, dass es sich um Brotteig-Reste handelt, die man zusammen-„gescharrt” hatte und die man dann eben mit etwas Öl bestrichen und mit Salz bestreut hatte. Eine Erklärung wäre vielleicht, dass man diese Vertiefungen in den Teig gemacht hatte, um das Brot besser teilen zu können, oder damit das Öl, mit dem man die Waie bestrichen hatte nicht herunter- sondern ins Gebäck laufen konnte.
Ich meine, man kann hier durchaus die italienische Variante der Focaccia erkennen – also, wo soll es schon herkommen???
Möglicherweise ist die Scharwaie ebenso wie der Gutedel ein köstliches Überbleibsel aus der Zeit, als die Römer sich im Markgräflerland niedergelassen hatten.
Spuren der Römer findet man im Markgräflerland überall, z. B. nicht allzu tief unter einem Acker auf der Gemarkung Auggen, oder in Badenweiler und Heitersheim, wo die Funde freigelegt und für Interessierte zugänglich gemacht wurden. Wer möchte, kann das Gebiet auf dem Markgräfler Römerweg erwandern oder mit dem Fahrrad erkunden.
klassische Scharwaie
Mal sehen, was Wikipedia dazu sagt:
(…) Die Wähe dürfte ihren Ursprung im schweizerischen Mittelland haben. Die erste urkundliche Erwähnung des Begriffs «wäye» stammt aus dem Jahr 1556. Sie wird in einem Zürcher Sprachlexikon als «Fladen oder Kuchen» beschrieben. Entstanden ist die Wähe in der Hausbäckerei. Gemäss Albert Spycher wurden Teigreste verwendet, die beim Brotbacken in der Teigschüssel blieben. Man „wallte (…) die so gewonnen Brotteigreste zu dünnen Fladen und drückte den Teigrand zu einem Wulst zusammen, damit der Belag nicht auslaufen konnte“. Belegt wurden sie dann mit denjenigen Dingen, die gerade im Haushalt aufzufinden waren. Es kamen Früchte wie Gemüse in Frage und deshalb lässt sich die Geschichte der salzigen und der süssen Wähe nicht trennen (….)
Was Wikipedia da zu den Wähen bzw. Waien, wie sie im Markgräflerland genannt werden schreibt, ist auch das, was ich von einigen Leuten, die ich gefragt hatte, gehört habe: Im Markgräflerland bzw. Müllheim und Umgebung hat man die Scharwaie zwar gekannt und gebacken, aber meistens wurde einfach auf die Teigreste das gelegt, was man gerade hatte.
Wer Schweine und Speck hatte, legte in dünne Streifen geschnittenen, gut durchwachsenen Speck darauf = Speckwaie.
Hatte man Rahm, d. h. Sahne (der noch von Hand abgeschöpft wurde, viel dicker als der heutige war und manchmal leicht säuerlich geschmeckt hatte) formte man einen Rand und gab Rahm und Zucker auf die Waie, die auch Judekueche (Judenkuchen) genannt wurde – nennen wir ihn der political correctness halber einfach mal Rahmwaie. Das beste daran waren natürlich immer die Stellen der Waie, die knusprig-braun karamellisiert waren.
Woher die Bezeichnung Judekueche kam, konnte mir auch niemand sagen….
Und wenn es frisches Obst gab, wie z. B. Zwetschgen, Mirabellen, Äpfel, hat man die Waie damit belegt.
Manch einer sagt, man habe die Waien vor dem Brot gebacken, um zu testen, ob schon die richtige Back-Temperatur erreicht war – andere sagen, man hat die Waie in der Resthitze gebacken, weil diese noch für die flachen Teigstücke ausreichend war (was ich wahrscheinlicher finde).
Wie auch immer, hier kommen die Rezepte. Um es ganz authentisch zu machen, könnte man sich auch einen Bauernbrot-Teig beim Bäcker besorgen (vorbestellen). Ich habe die Foccaccia-Teig Variante mit etwas Olivenöl vorgezogen, das schmeckt ein wenig würziger, man kann das Öl aber auch weglassen und etwas mehr Wasser nehmen. Ausserdem habe ich Dinkelmehl (Type 630) zu 2/3 und zu 1/3 fein gemahlenes Hartweizenmehl (z. B. Pizza- oder Pastamehl) verwendet. Ich backe auf einem Schamottstein (Pizzastein), der etwa eine Stunde vorher im Backofen bei voller Temperatur aufgeheizt werden muss (nach 45 Minuten stellt man ein Blech mit Wasser unter den Stein) – während dieser Zeit kann der Teig wunderbar aufgehen. Dann wird die Temperatur reduziert – ich habe eine Pizza-Backfunktion mit Unterhitze und Umluft, die ist bei 180 – 200 °C perfekt). Wer keinen Pizzastein hat, bäckt auf dem Blech mit vorgeheizten 225 °C.
Klassischer Brotteig:
500 g Mehl (Weizenmehl Type 550)
1/2 Würfel Frischhefe (21 g)
etwa 300 ml lauwarmes Wasser
15 g Zucker oder flüssiger Honig
15 g Salz
Focaccia-Teig mit Olivenöl, wie ich ihn mache:
(für drei Waien)
25 g frische Hefe
300 ml lauwarmes Wasser
50 ml Olivenöl
2 Esslöffel flüssiger Honig
1 Esslöffel grobes Meersalz
etwa 330 g helles Dinkelmehl (Type 630)
etwa 170 g feines Hartweizenmehl (Pasta- oder Pizzamehl)
+ Mehl zum Auswellen
Hefe in eine große Schüssel bröckeln, lauwarmes Wasser, Olivenöl und Honig hinzugeben und die Hefe darin auflösen. Salz und Mehl untermischen, einarbeiten und kräftig kneten. (Für mich übernimmt das der Knethaken der Küchenmaschine).
Kneten, bis sich der Teig vom Schüsselrand löst, bei Bedarf noch etwas Wasser oder Pastamehl unterarbeiten.
Zugedeckt ca. 45 – 60 Minuten gehen lassen. Teig von Hand kräftig durchkneten, in drei Portionen teilen.
Speckwaie
Für die Speckwaie von einem Stück geräucherten, gut durchwachsenen (Schwarzwälder) Vesperspeck die Schwarte abschneiden, zuerst längs in dünne Scheiben, dann quer in dünne Streifen schneiden. Den Teig dünn auf bemehlter Arbeitsfläche auswellen – auf eine perfekte, runde Form kommt es hier ganz bestimmt nicht an – auf den Holzschieber legen (vorher mit etwas Pastamehl bestreuen) und den Teigfladen üppig mit Speckstreifen belegen. In den Ofen schieben und so lange backen, bis der Speck knusprig, und die Ränder leicht gebräunt sind. (etwa 10-15 Minuten)
In Stücke schneiden und mit einem Glas Gutedel (oder Neuer Wein – sobald es wieder gibt) genießen.
Rahmwaie (Judekueche)
Teig wie oben beschrieben auswellen, dann aber einen Rand bilden, damit der Rahm nicht herauslaufen kann. Zuerst auf den Pizzastein schieben, dann mit Rahm begießen und üppig mit braunem Zucker bestreuen. (Je nach Größe ca. 1 Becher süße Sahne -Rahm, und mehrere Esslöffel Zucker). Backen, bis der Zucker karamellisiert ist.
Meine Mutter hat diese Waie immer in einem Waieblech mit Rand gebacken, weill die Sahne schnell über den Rand läuft. Wie schon gesagt, der Rahm war früher dicker. Wer mag, kann auch einmal dicke, gezuckerte Kondensmilch verwenden, das geht auch, karamellisiert aber nicht so schön. Da kann man dann höchstens noch ein wenig mit einem Bunsenbrenner (Crème brulée) nachhelfen.
Zwetschgewaie
Für die Zwetschgewaie den Teig wie beim Rahmwaie mit Rand vorbereiten.
Die Zwetschgen waschen, längs halbieren, die Kerne entfernen. Dann jede Hälfte an der Spitze längs ein wenig einschneiden.
Den Teig wieder im Ofen belegen, dick mit Zimtzucker bestreuen und backen, bis der Rand leicht gebräunt ist.
So, und das ist unser heutiger Sonntagskuchen… Vielleicht gibt es noch ein wenig geschlagenen Rahm dazu.
Selbstverständlich kann man auch hier noch ein wenig kreativ sein und zusätzlich feine Butterstreusel auf die Zwetschgen geben. Da hätte ich noch ein Rezept für einen Zwetschgen-Streuselkuchen mit Quark-Ölteig (auch sehr zu empfehlen).