Blockupy oder der Staat: Wer hat gewonnen?

Mit einer Großdemonstration wurden am vergangenen Samstag die Blockupy-Proteste gegen das europäische Krisenmanagement in Frankfurt beendet. Rund 25.000 Menschen erschienen zu der Veranstaltung, die, entgegen den Erwartungen der Polizei und genau nach den Erwartungen der restlichen Welt, friedlich und ruhig blieben. Haben die Blockupy-Demonstranten nun gewonnen oder verloren?

 

Beide Seiten üben sich, wie nach einem Wahlkampf, in Siegerrhetorik. Blockupy behauptet, man habe der Polizei und der Stadt eine krachende Niederlage beigebracht, indem man sich durch die rigide und überhaupt nicht rechtmäßige Verbotspraxis nicht habe einschüchtern lassen und den Protest trotzdem durchgeführt habe. Da ist was dran: Nach dem Verbot von über 70 Veranstaltungen, darunter Podiumsdiskussionen, Infoabende, Konzerte und Demonstrationen, kamen zur Abschlusskundgebung der ursprünglich geplanten 4 Blockupy-Tage immerhin 25.000 Menschen. Und natürlich verletzten die massiven Verbote den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in eklatanter Weise. Die Polizei befürchtete die Anreise von 2000 Gewalttätern, die einzigen Gewalttäter aber waren die Polizisten, die die Verbote durchsetzen wollten. Grundrechte wurden regelrecht außer Anwendung gesetzt, was nur noch mit unglaublicher Mühe als rechtmäßig zu erklären ist. Dieser Kriminalisierung und Schikane hielten die Demonstranten ihren friedlichen, bunten und heiteren Protest entgegen. Insofern haben sie der Polizei und ihrer sogenannten Gefahrenprognose, der staatlichen Paranoia, die zur Einschränkung der Grundrechte der Bürger führt, eine schallende Ohrfeige versetzt und sie Lügen gestraft.

Doch auch die Polizei zeigt sich zufrieden. Aufgrund ihres Durchgreifens sei es erst gar nicht zu den befürchteten Gewalttaten gekommen, ihre Strategie, zum Beispiel Platzverweise auszusprechen und Busse schon vor der Einreise in die Stadt abzufangen, habe sich ausgezahlt. Außerdem habe sie die Arbeitsfähigkeit von EZB, weiteren Banken und vielen Geschäften in Frankfurt gewährleistet. Und bei all der Gefahr habe sie auch noch besonnen gehandelt. Einiges davon lässt sich einfach nicht beweisen, mag aber für viele einleuchtend klingen. Manche mögen befürchten, dass die Gewalttäter nur wegen der Polizei nicht zum Zuge kamen, dass es aber selbstverständlich gewaltbereite Elemente gab, die von der harten Haltung der Behörden abgeschreckt worden seien. Eben weil es keine gewalttätigen Auseinandersetzungen gab, hat es die Polizei leicht, sich dies auf ihre Fahnen zu schreiben und ihre eigene Strategie zu loben.

Entscheidend jedoch ist, dass die Polizei in einem wichtigen Punkt einfach recht hat: Die Arbeit von EZB und Geschäftsbanken wurde nicht eine Sekunde behindert. Nicht eine einzige Transaktion fiel aus, eine Blockade der EZB und anderer Geschäftsbanken wurde wirkungsvoll und effektiv unterbunden. Oder um es krasser auszudrücken: “Wir haben ein fröhliches Straßentheater gesehen, aber es gab keine Blockade, und der Kapitalismus hat nichts davon bemerkt.” Die traurige Wahrheit ist, dass vermutlich deshalb so hart durchgegriffen wurde, weil bei einem Erfolg der Aktion erstmals ein Körnchen Sand ins Getriebe der Hochfinanz geraten wäre.

Hätte man den Geschäftsbetrieb der Banken oder der EZB für mehrere Stunden effektiv lahm gelegt, dann hätte auch der letzte Mensch gewusst und nicht mehr verdrängen können, dass die Grenze des Erträglichen erreicht ist. Dieser eine, eigentliche Zweck der Blockupy-Protesttage blieb jedoch unerreicht und unerfüllt, da nützt auch die Freude über die 25.000 Demonstranten nichts. Vor 30 Jahren gingen in Westdeutschland gegen Atomraketen hunderttausende auf die Straße, und selbst das war nicht genug. Polizei, Stadt und hessische Regierung haben durch ihre demokratiefeindlichen Verbote und ihre durchaus waffentechnisch gemeinte Einschüchterung friedlicher Demonstranten verhindert, dass die Blockupy-Aktionen zum Massenprotest wurden, der eine Massenbasis hätte haben und sich ausweiten können. Dies gehört leider auch zur schonungslosen Analyse dieser Protesttage.

Die Verwaltungsgerichte haben sich als willige Helfer einer zunehmend autoritär geprägten Verwaltung betätigt, ohne viel auf Gesetz und Recht zu geben, denen sie verpflichtet sind. Dass ein Verbot auch das Verteilen von Grundgesetzen auf einer Kundgebung gegen die Aushebelung der Grundrechte betraf, und dass ein Polizeisprecher öffentlich das Verbot von Veranstaltungen sinngemäß damit begründete, dass so die Bürger vor Meinungen geschützt würden, die sie nicht hören wollten, macht deutlich, auf welch niedrigem demokratischen Niveau sich Deutschland inzwischen befindet. Insoferrn haben die Demonstranten die bittere Niederlage hinzunehmen: Die Demokratie wurde erheblich geschwächt, und man kam damit durch. und das Ziel, die kleinen aber wichtigen Räder im großen Finanzsystem wenigstens für einen Augenblick zu blockieren, wurde verfehlt. Trotzdem ist es wichtig, dass die Proteste weiter gehen.


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