Sind Sie „Best Ager“ oder „Freitätiger“?
Solange ich berufstätig war, fühlte ich mich geschmeichelt als „Senior Expert“ oder als Mitglied des „Senior Managements“ bezeichnet zu werden. Schließlich war und ist das ein Rangmerkmal, das nicht allein auf das Alter, sondern auf Wissen und Erfahrung, aber auch auf Einfluss und Kompetenz ausgerichtet ist.
Seit ich in Pension bin, mag ich nicht zu den „Senioren“ gehören, die im Bezirksjournal zur Fitness eingeladen werden oder in Reiseprospekten als Kundengruppe speziell angesprochen werden. So alt wie die Menschen am Foto bin ich noch lange nicht! Entscheiden, was ich tun oder kaufen will, kann ich schon noch selbst. Ich brauche auch kein „Senioren Handy“, weil ich schätze und nutze dasselbe multifunktionale „Phone“ wie im Beruf auch nun zu Hause und bin gewöhnt, mit WhatsApp, Facebook und Linked-in zu leben.
„Best Ager“ ist ein freundlicherer Name für ältere Leute, denn er signalisiert eine positive Seite, ein erreichtes Niveau, von dem aus der „Best Ager“ agil und selbstbestimmt agieren kann. Ein wesentliches Ziel in diesem Lebensabschnitt ist es, sich nicht durch körperliche „Wehwehchen“ einschränken zu lassen, sondern diese mutig und diszipliniert zu bekämpfen, um das Beste zu tun, was einem wirklich wichtig ist und Freude macht. Es muss dabei keine rein nützliche Beschäftigung sein, sondern Freude und persönliche Entwicklung – auch als Belohnung für die anstrengenden Berufsjahre – stehen im Vordergrund.
„Freitätige“ sind jene Pensionisten, die nun in der Pension ihre Berufung ohne Leistungsdruck gefunden haben und diese aktiv ausüben. Das kann weiterhin einen quasi beruflichen Charakter haben, jedoch mit selbstbestimmter Zeiteinteilung und selbstgewählten Themen und Zielen. Hier geht es nicht einfach um „beschäftigt sein“, sondern um eine Mission zu leben, solange noch Zeit ist. Endlich einmal frei entscheiden, welcher Auftrag angenommen wird, für welchen Kunden oder Themen wir tätig sein wollen.
Aber macht regelmäßige Arbeit für ältere Menschen denn Sinn, ist es adäquat, wenn der wöchentliche Zeitplan weiterhin straff geplant wird, um alle Termine unterzubringen? Sollten wir ab einem gewissen Alter die Expertenjobs nicht Jüngeren überlassen – insbesondere in einer neuen digitalen Welt?
Anneliese Blasl-Müller