Bloß keine Neuwahlen

Die FDP, so lese ich gerade auf tagesschau.de, hat von meinem Parteichef den weisen Rat erhalten, aus der Regierungskoalition auszusteigen und damit den Weg für Neuwahlen freizumachen. Das hat der nun schon die ganze Woche gefordert, der Fraktionsgeschäftsführer Oppermann wird auch regelmäßig mit dieser Forderung zitiert, und eine erdrückende Mehrheit in der parallel laufenden Umfrage gibt den beiden recht.

Und das stimmt. Diese Regierung war von Anfang an faktisch handlungsunfähig; dafür gibt es drei Gründe: CDU, CSU und FDP. In Analysen hat man sich jetzt - passend zum gestrigen Wahlergebnis - darauf geeinigt,  dass die FDP die Alleinschuld trifft, und die ist so beschäftigt mit sich selbst, dass sie garnicht mehr dazu kommt, das zu dementieren. Das Störfeuer der letzten Wochen, eigentlich der letzten zwei Jahre, geht aber zu gleichen Teilen immer auch auf Kosten der CSU, die grundsätzlich am Rad dreht, sobald eine neue Umfrage ihr bescheinigt, dass sie als bayrischer Alleinherrscher abgewirtschaftet hat. Mit Christian Ude als potentiellem Spitzenkandidat der bayrischen SPD, dem gute Chancen eingeräumt werden, Seehofer zu beerben, darf man davon ausgehen, dass dieser Unruheherd sich ausdehnt.

Gleichzeitig hat die Verzweiflung der FDP mittlerweile ein Ausmaß erreicht, dass den Wirtschaftsminister und Vizekanzler der wichtigsten Wirtschaftsnation Europas zum größten Unsicherheitsfaktor in der Euro-Krise macht. Es geht nicht um das Recht, Wahrheiten auszusprechen, sondern schlichtweg um politische Reife und ein erkennbares Bewußtsein für die eigene Verantwortung. Auch in den kommenden zwei Jahren wird es Akteure in Deutschland und darüber hinaus geben, die ernst nehmen müssen, was Philip Rösler so von sich gibt, und das jedes Mal, weil sie mehr als auf alles andere auf Planbarkeit angewiesen sind. Dass die angebliche Wirtschaftspartei FDP da nicht von selbst drauf kommt, ist geradezu grotesk. Das bedeutet indes nicht, dass eine Pleite Griechenlands ausgeschlossen ist - aber wenn man sowas erzählt, dann weil man genau weiß, wie man eben diese Pleite begleitet, und zwar ohne, dass daraus eine Lawine wird, die die gesamte Eurozone erfaßt.

Eine Pleite Griechenlands bedeutet, dass eine Reihe von Gläubigern ihrerseits in die Krise laufen - Banken, Bürgen, Investoren, auch hierzulande. Dafür braucht man einen Plan, der sämtliche Risiken, sämtliche Eventualitäten berücksichtigt, ansonsten fliegt einem das um die Ohren. Bei der SPD heißt der Plan "Schuldenschnitt", nur so am Rande - aber aus den gleichen bescheuerten strategischen Überlegungen, aus denen Rösler mit dem Thema umgeht, als wäre es ein Spiel, bei dem man Tore schießen muß, darf er natürlich nicht den Eindruck erwecken, er bräuchte unsere Hilfe.

Das größte Problem in dieser Koalition ist und bleibt aber die Partei, die eigentlich schon wegen ihrer Größe den Laden unter Kontrolle haben müsste, also die CDU. Und da dann wiederrum - sozusagen grundgesetzlich verordnet- die Bundeskanzlerin. Leider hat Angela Merkel zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, dass sie Einfluß nimmt oder auch nur nehmen will. Ich rede nicht mal von Führung - ich rede davon, dass diese Frau es sich bereits in der großen Koalition angewöhnt hat, so zu tun, als würde sie garnicht zu ihrer Regierung gehören. Damals ging das noch, weil die SPD, wenn überhaupt, ihre Stürme im Wasserglas der Partei austobte, bis es eben halb leer war, und die Minister im Großen und Ganzen zumindest nicht daran erinnert werden mussten, was ihre Aufgaben sind. Mit gleich drei von Umfragen in Panik versetzten Parteien, deren Personal ebenso unprofessionell wie unreif agiert, kann sie sich diesen Luxus längst nicht mehr leisten, aber obwohl ihr das tagtäglich auch aus den eigenen Reihen bescheinigt wird, ist nicht zu erkennen, dass es verfängt.

In der Tat wären Neuwahlen da richtig. Das Problem ist nur: Es ist niemand da, der übernehmen kann.

Ich sollte das wirklich nicht schreiben, weil ich ja meine Partei lieb habe. Aber wir brauchen diese Auszeit. Wir brauchen - mindestens!- 4 Jahre, um uns personell und programmatisch neu aufzustellen. Personell hat sich einiges getan, auch wenn da sicherlich noch etliches aus der alten Garde herumschwirrt. Das muss aber nicht schlecht sein, weil Menschen sich ändern können - wenn ich mir Steinmeier und Steinbrück so ansehe, muss man dann aber auch jede Gelegenheit nutzen, das deutlich zu machen. Sich ändern heißt hier nicht, alles zu bereuen, was man getan hat und ganz gewiß nicht, alles rückgängig zu machen; sich ändern heißt vor allem: Dazugelernt haben. Dazugelernt haben aus der Agenda 2010, dazugelernt haben aus Afghanistan, dazugelernt haben aus der Finanzkrise, dazugelernt haben aus nicht weniger als der Spaltung der Partei, dazugelernt haben aus dem Verlust des Status sowohl als Arbeiterpartei als auch als Volkspartei. Das ist nicht weniger als eine historische Verpflichtung, die aber zugleich ein massives Umdenken von traditionellen Vorstellungen bedeutet: Jede Zeit braucht ihre Antworten.

Der Mindestlohn allein zum Beispiel kann es nicht sein. Ohne den Mindestlohn wäre aber die Konzeption von nicht weniger als einer neuen Arbeitswelt bereits zum Scheitern verurteilt. Einer Arbeitswelt, die berücksichtigt, dass ewiges Wachstum unmöglich ist, die versteht, dass dadurch das stetige Wachstum der Produktivität ein regelrechtes Problem ist. Eine Arbeitswelt. in der Leistung nicht länger über den reinen Geldwert definiert wird und Nutzen nicht automatisch ein Euro-Zeichen aufgedruckt bekommt. Und das muß man dann auch noch so ausarbeiten, dass  es erklärbar bleibt und pragmatisch wirkt - vier Jahre sind dafür viel zu wenig.

Aber in den jetzt verstrichenen zwei Jahren haben wir nicht mal wirklich einen Anfang machen können. Wenn wir jetzt wieder nur den schwarz-gelben Saustall übernehmen, aufräumen und die schlimmsten Löcher flicken, und das wieder ohne echte programmatische Leitlinie machen, werden wir auch wieder auf die Experten hören, mit deren gutmeinender Hilfe wir die letzte Regierungszeit so einmalig in den Sand gesetzt haben. Wo wir wirklich mit Überzeugung agiert haben, wo wir feste programmatische Vorstellungen hatten, läßt sich die Bilanz sehen - und ja, viel zu sehen gibt es da nicht;) Aber schon der Atomausstieg von schwarz-gelb muss komplett überarbeitet werden, die Euro-Krise wird weiterbestehen, wir haben Millionen Arbeitslose und dazu noch mal 6 Millionen Leute, die arbeiten und trotzdem auf Transferleistungen angewiesen sind, das allein würde schon reichen. Darüber thront die Schuldenbremse, eine drohende Rezession, umrandet von der weiter unaufhaltsam fortschreitenden Globalisierung, einem gnadenlosen Wettbewerb, aussenpolitischen Verschiebungen und Verheerungen... ok, soll erstmal reichen.

Es ist gut, dass sich unsere Parteiführung das zutraut. Und es ist gut, dass den Menschen da draussen langsam dämmert, was sie an uns hatten. Aber gerade deswegen müssen wir ehrlich sagen: Noch können wir das nicht wieder. Noch müssen wir die Oppositionszeit nutzen. Und ausserdem darf man nicht davon ausgehen, dass schwarz-gelbe Wähler es jetzt wirklich begriffen haben. Ich denke, das werden noch mal zwei lehrreiche Jahre, und die werden jetzt abgesessen.Dazu dann tägliche Übungen - ich soll mir nicht wider besseres Wissen Steuersenkungen versprechen lassen, Angela Merkel ist nicht die Bundespräsidentin, und es geht sogar noch schlimmer als Stoiber.

Danach dann das Wetter.

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