Foto: Seraphe
Ich blicke zu einer Krähe, die in Trauer auf einem Schornstein hockt, ihr Blick wandert von Rechts nach Links, ihr Blick verfängt sich in einem Fenster, dahinter eine blinde Frau sitzt, die sich im Sehen übt, die sich in der Innenschau versucht, die sich in einem Zimmer sieht, einem Zimmer, in dem sie mit ihrem Mann lebte, damals konnte sie noch sehen, damals lebte noch ihr Mann, der nun tot keinem Blick mehr zum Fraße dient, der aus den Augen ist, nicht aber aus dem Sinn der Frau, die ihn sich in ihrer Herzhöhle an die Wände malt, wie er seinen Kaffee schlürft, umständlich und langsam, als wäre das Erfassen einer Tasse bereits die höchste Kunstübung im Leben, der sich den Kaffee auf sein Hemd tröpfelt, Tropfen für Tropfen, ihr Mann, der nun aufblickt, zu ihr hin, zu ihr, der blinden Frau in diesem Zimmer, die nun lächelt, die seinen Blick erwidert, die ihn beruhigt, es sei schon gut, so etwas passiere jedem einmal, dabei wissen es beide besser, denn so etwas passiert nur ihm, dem nun Gesichtslosen, der zur Frau sieht, die im Zimmer sitzt und aus ihrem Fenster hinaus lächelt, ihr Lächeln trifft auf ein Kind, ein Kind mit zerrissenen Hosen, man kann sich gar nicht recht entscheiden, ob es ein Junge oder ein Mädchen sein soll, es steht da und fängt ganz unbewusst das Lächeln der blinden Frau auf, es denkt darüber nach, was es der Mutter erzählen soll, der Blick des Kindes verfängt sich in einer Gardine, dahinter eine Frau darüber nachdenkt, was sie heute Abend tragen soll, dieses Kleid, oder doch jenes, sie denkt darüber nach, ihre Augen streifen über das Kind, ihre Augen wandern den Hügel hinauf zu dem einsamen Haus, in dem schon so lange niemand mehr wohnt, nur einige Ratten und ein Waschbär, die sich nun ansehen, die sich für eine kleinen Augenblick bemerken, bis sie auseinander rennen, jedes der Tiere in eine andere Richtung, die Ratten verteilen sich auf dem Treppengeländer, sie laufen das alte Geländer hinunter, fast könnte man denken, sie rutschen das Geländer hinab, es sieht nach spielenden Ratten aus, aber da irrt man sich, man sitzt einem falschen Eindruck auf, denn die Ratten spüren den Händeabdrücken der ehemaligen Bewohner nach, sie wärmen sich an der Kälte der Berührungen, sie denken über die Hausbewohner nach, warum weinte nur die Frau, die zum Schluss diese Treppe benutzte, die Ratten versuchen den Hall dieser Tage aufzuspüren, sie träumen sich in die alten Tage hinein, bis sie es schließlich sehen können, der Mann, der auf der Treppe zusammen brach, die Frau, die ihn fand, tot, die zum Telefon stürmte, sie rannte die Treppen hinab, sie rieb mit der Hand über das Geländer, die Ratten können sich nun erinnern, die Ratten stürmen auf den Dachboden hinauf, sie stellen sich am Dachfenster auf, sie alle, dort stehen sie gemeinsam, sie sehen hinaus, sie blicken in meine Richtung, sie fangen meinen Blick, der in diesem Augenblick auf einer Krähe ruht, die schwarzgewandet sich meines Blickes mit ihrem Gefieder zu erwehren sucht, mein Blick, der nicht weichen will, der nicht weichen muss, mein Blick, der mit allen Augenblicken dieser Welt in einer jeden Sekunde verbunden ist.