Bleibt bei eurer Takelage

Erstellt am 5. Januar 2013 von Robertodelapuente @adsinistram

Der lange Marsch durch die Institutionen hat sich verschlissen. Sein M hat sich abgenutzt und zeigt sich heute als mancher Arsch in den Institutionen. Die Grünen haben institutionell ihren Ökologismus zu einem Müllsortierauftrag geschliffen - und Die Linke hat als real existierender Koalitionspartner Länderpolitik gemacht, die jeder andere opportunistische Zirkel auch hätte vollbringen können. Beides soll vielleicht aber nicht gleichgesetzt werden, denn Politik auf Länderebene ist oftmals nicht mehr, als die föderalistisch überwachte Erfüllungshilfe einer Bundespolitik, die dem Finanzkapital und ihren Industrien unterordnet ist. Als Koalitionär im Bund sieht es etwas anders aus, dort könnte man Akzente setzen. Gleichwohl hat Die Linke Grenzen erfahren - sinnbildlich mag dafür Petra Paus "Vorsitz einer kleinen Runde" sein, gleich ob sie den selbst lächerlich ausführte oder ob er der Lächerlichkeit des Hofprotokolls geschuldet ist.
Letzte Hoffnung: Augenklappe?

Einäugig soll bald gelingen, was bisher jede Opposition schliff. Die Piraten wollen innerhalb des Parlamentarismus die große oppositionelle Komponente sein; sie sagen es nicht so, aber sie wollen durch die Institutionen marschieren, neue Impulse setzen und das Land innerhalb dieser verkrusteten Strukturen verändern. So sie denn wirklich in den Bundestag einziehen. Durchmarschieren und verändern: das ist eher unwahrscheinlich. Auch, weil die Piraten so wechselwindig und unverbindlich sind, dass man sie immer noch nicht einordnen kann. Sind sie nun eine soziale Partei? In diversen Programmen steht das so - aber mancher Pirat hat sich auch schon als liberaler Freibeuter mit sozialen Psychosen gezeigt. Sie sind für Datenschutz und für Medienfreiheit - das weiß man. Und sonst? Haben die Piraten eine Meinung zu Dingen, die nichts mit ihren Paradethemen zu tun haben? Die ja erstinstanzlich das Soziale nicht betreffen? Was, wenn sie im Bundestag über den Einsatz gegen die Piraten am Horn von Afrika entscheiden müssen? Blasen sie zum Hallali auf ihresgleichen? Oder enthält man sich und der Bundestag beschließt standrechtlich und stante pede - Warum in die Ferne streifen, liegt der Feinde doch so nah! - die Piratenjagd gleich im Plenum zu eröffnen?
Jutta Ditfurth schreibt in ihrer Abrechnung mit den Grünen, dass diese Partei nur zeitlich begrenzt eingeplant war. Sie schrieb: "Hatten wir die Gefahren der Integration ausreichend analysiert? In unseren linken Kreisen gaben wir dem Projekt die Chance, für ein paar Jahre die Widerstandsbewegungen zu stützen und die bundesdeutsche Gesellschaft zu verändern. Vielleicht acht bis 15 Jahre spekulierten wir, bevor die Anpassungsmechanismen dieser Gesellschaft das Projekt verschluckt haben würden, wenn nicht eine neue außerparlamentarische, antikapitalistische Bewegung Motor einer gesellschaftlichen Dynamik werden würde, die den Integrations- und Anpassungsdruck aushebeln würde." So weitsichtig es war, die Anpassung vorherzusehen, so naiv die Annahme, man könnte Parlamentarismus temporär durchziehen und dann geschlossen seinen Hut nehmen. Die Grünen blieben als Realo-Fraktion weiterhin parlamentarisch und wirken als linker Etikettenschwindel gegen Veränderung und Reform. Zwangsläufig bringt der Sprung in den Parlamentarismus immer auch die Notwendigkeit mit sich, massenkompatibel zu werden, ein Stück Volkspartei zu sein. An einer geschlossenen Vorstellung, wie sich Gesellschaft zu gestalten hat, unter welchen Idealen sie gedeihen soll, wie umverteilt und partizipiert wird, haben die Piraten jedoch (immer noch) nicht - zu deren Entschuldigung sei gesagt: die anderen auch nicht, auch wenn die Gegenteiliges behaupten. Konkret und als Schuster bei ihren Leisten sind sie in Fragen des Datenschutzes und dem gesellschaftlichen Umgang mit neuen Medien.
Zukunft als Online-Flanke sozialer APO-Bewegungen
Der Einzug in den Bundestag scheint sich erledigt zu haben, glaubt man den Umfragewerten. Die sind natürlich mit Vorsicht zu genießen, weil sie das wirkliche Potenzial einer Partei nicht dokumentieren. Aber hier wirken sie auch als self-fulfilling prophecy. Das Personal hat sich großteils als unfähig und zu tapsig erwiesen. Dass es nicht klappt, ist nicht wirklich schlecht. Es ist sogar eine gute Chance, sich neu, sich vielleicht effektiver und fachgerechter zu orientieren. Der progressive Teil der Piraten fungiert besser als außerparlamentarische Opposition, vielleicht auch im Bunde mit Die Linke, die den parlamentarischen Flügel einer an sozialen Maßstäben orientierten Bewegung stellen könnte. Weshalb sollten sich die Piraten denn künstlich Ideale aus den Fingern saugen, die sie nicht hatten, als sie als Splitter- und Interessensbewegung auf die Bühne traten? Man hatte bei der Selbstfindung den Eindruck, dass viele Piraten mit Augenklappen durch die Welt gingen, die sie sich seitlich zu Scheuklappen aufstellten. Sie waren ursprünglich interaktiv, kannten sich mit moderner Kommunikation aus, wussten etwas vom Datenschutz und möglicher Transparenzmachung, weil sie die Technik kannten. Und nun steht da der große Auftrag, sich mehr auf die Flagge zu malen als einen Totenkopf, mehr als Datenschutz und Technologie etwa.
Die Piraten werden wahrscheinlich nicht einziehen in den Bundestag. Sie sollten das Projekt "Marsch durch die Institutionen" als gescheitert ansehen und zurück zur Basis, sollten außerparlamentarisch wirken, die Occupybewegung des Internets geben. Da wären die Piraten in etwa so bei ihrer Takelage, wie Schuster zuweilen bei Leisten. Der soziale Flügel der Piraten wäre wie gemacht für die Online-Flanke sozialer APO-Bewegungen. Im Parlament angelangt marschiert man eh nicht durch die Institutionen; die Institutionen dulden keine Durchmärsche, sie züchten sich Ärsche. Mit dem eindeutigen Auftrag der Wähler, die Piraten nicht in den Bundestag zu hieven, sollte man die Gestaltung einer außerparlamentarischen Opposition beginnen.