Draußen wartet die Welt
Nancy Grossman
cbj, 2014
978-3570402153
8,99 €
Flipintu
Eliza lebt wie eine Amish. Sie geht nicht mehr zur Schule, sondern hilft ihrer Mutter und der Familie – jeden Tag. Für sie ist es eine völlig normale Welt. Aber mit 16 darf sie ihr Rumspringa in der Welt draußen verbringen. Was wird sie dort erwarten? Nicht nur Eliza hat Angst, auch ihre Mutter macht sich Sorgen.
Eliza ist ein schwieriger Fall. In ihrem gewohnten Umfeld finde ich sie sehr süß, sehr jung und sehr zurückhaltend. Umso spannender dachte ich, wird es, wenn sie in die neue Welt eintritt. Aber sie bleibt dann seltsam kühl. Manche Dinge weiß sie und kann sie auch benennen, obwohl ich dann denke: Woher?. Anderes wiederum weiß sie nicht. Da entsteht eine große Lücke, denn die Autorin gibt nicht immer preis, woher Eliza ihr Wissen hat. Wenn sie mit Menschen umgeht, die aus der “Außenwelt” kommen, ist sie sehr vorsichtig, denn ihre Mutter hält die Außenwelt auf Abstand. Was anderes ist unsere Protagonistin also nicht gewöhnt. Manche Handlungen von ihr sind sehr steif und ich finde es wirklich famos, dass sie sich mit 16 über einige Dinge schon Gedanken macht. Dadurch merkt der Leser, dass es wirklich eine Kluft gibt zwischen den Menschen, die bei den Amish aufgewachsen sind und dem Rest, den “Englischen”.
Elizas Familie lerne ich nur am Rande kennen. Ihr Vater ist sehr ruhig, ihre Mutter manchmal ein bisschen zu herrisch. Sie hat eine kleine Schwester, die sehr niedlich ist und die auch traurig ist, als Eliza ihr Zuhause verlässt.
Es gibt dann noch zwei junge Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf die beiden gehe ich aber nicht sehr intensiv ein, denn dann nehme ich euch einen Teil des Lesespaßes ;) Und das wollen wir ja nicht.
Es war die Kulisse, die mich gelockt hat, dieses Buch zu lesen. Ich habe mich vorher noch nicht mit den Amish beschäftigt. Man sieht mal was im Fernsehen, hört, dass es ein Buch gibt, aber so ganz wollte ich das bis jetzt noch nicht. Dann lockte mich Nancy Grossman.
Im ersten Teil des Buches erfährt der Leser sehr viel über die Lebensweise der Amish. Ich mochte das sehr gern, weil das Buch dadurch auch sehr langsam erzählt wird. Jede Haushaltstätigkeit, die Eliza verrichtet, wird genau beschrieben, obwohl ich mir natürlich vorstellen konnte, wie die Sonne, die Wäsche trocknet ;) Trotzdem ist es natürlich erst mal komisch, so Sätze zu lesen, in denen ich merkte, dass Eliza nicht mal eine SMS schreiben könnte oder weiß, das Telefone Stimmen heranholen, die weit weg sind.
Der Einblick in die Lebensweise der Amish war also sehr gut und ausführlich. Leider hat die Autorin es später nicht geschafft, genau so gut unsere Lebenswelt zu erklären und hat auch nur sehr schlecht Elizas Erstaunen eingefangen. Dabei war gerade ihre Gefühlswelt in diesem Moment wichtig für die Leser.
Wie ich schon andeutete, geht es um die Amish und ihre Art zu Leben. Es geht um Eliza, die lernen muss, was sie im Leben will. Will sie ein Leben, dass ihre Familie schon immer so gelebt hat? Oder will sie in der Welt draußen zurechtkommen?
Es ist eine Geschichte über neuartige Dinge, neue Gefühle und neue Herausforderungen, denen sich das Mädchen stellen muss. So andersartig wie die Welt der Amish ist, so normal kam sie mir im Verlauf der Geschichte vor. Braucht man wirklich alles, was wir zur Zeit haben? IPods, Fernseher und Internet? Eliza kommt damit ganz gut zurecht, aber wenn man in Versuchung gerät, was passiert dann?
Ich habe nach dem Lesen das Rumspringa der Amish als Herausforderung und Bewusstseinserweiterung verstanden. Manche brauchen dafür Drogen, Eliza wechselt einfach die Welt und ihre Perspektive auf eben jene. Was mir daran aber nicht gefallen hat, ist, dass sie seltsam gelassen bleibt in Situationen, die sie noch gar nicht erlebt haben kann. Ich konnte keine richtige Verbindung zu ihr aufbauen. Manchmal reagiert sie wie ein sehr kleines Mädchen, in anderen Momenten so erwachsen, dass da etwas nicht zusammenpasst. Aber vielleicht fehlt mir da gerade etwas mehr Innensicht. Sie ist nicht immer einfach zu verstehen und auch wenn es noch einige Familiengeheimnisse und Probleme zu entdecken gibt, ist es doch nur eine lauwarme Geschichte, die versucht noch einmal aufzutrumpfen.
Das Buch ist eigentlich recht schön. Ich mag das stille Cover, das mit seinen Schmetterlingen gut aussieht. Es symbolisiert die Veränderungen, die Eliza betreffen. Die Frage ist nur, wie wird sie sich entscheiden?
Leider vergebe ich “nur” 2,5 Bücherpunkte, denn Eliza hat mich mit ihrer Geschichte nicht berührt. Sie blieb etwas kalt anlässlich der ganzen Neuerungen in ihrem Leben und hielt mich als Leser seltsamerweise auf Distanz.
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