WEIMAR. (fgw) Das Verfahren gegen die drei Musikerinnen der russischen Band “Pussy Riot” erhitzt die Gemüter. Denn es zeigt, dass angesichts der sich immer weiter verschärfenden Unterdrückung der Opposition in Russland von einer ‘lupenreinen Demokratie’ keine Rede sein kann. Allerdings besteht auch in Deutschland Handlungsbedarf, was Sonderstraftatbestände im Zusammenhang mit Blasphemie angeht.
von Raju Sharma
Ein Verfahren wie das gegen “Pussy Riot” wird in der Bundesrepublik Deutschland für unmöglich gehalten. Dabei droht der Paragraph 166 des deutschen Strafgesetzbuches mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe für die Beschimpfung von religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissen.
Dieses Sonderrecht ist überflüssig und befördert die Ungleichbehandlung. Die bestehenden Regelungen des Strafgesetzbuches zu Beleidigung und Volksverhetzung bieten religiösen Gruppen schon jetzt ausreichenden Schutz, ohne dass Meinungs- und Kunstfreiheit übermäßig eingeschränkt würden.
In einem demokratischen Staat muss es möglich sein, seine Meinung auch in einer Form zum Ausdruck zu bringen, die sich kritisch mit inhaltlichen Standpunkten oder dem Erscheinungsbild von Glaubensgemeinschaften auseinandersetzt.
Zudem werden nicht-christliche Religionsgemeinschaften in der Praxis durch den Gotteslästerungsparagraphen ebenso wenig geschützt wie beispielsweise Gewerkschaften, politische Strömungen oder ethnische Gruppen.
(Der Autor ist Religionspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag)
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]