Blandine Le Callet – Die Ballade der Lila K

Blandine Le Callet – Die Ballade der Lila KIch halte etwas Gefährliches in meinen Händen, er könnte mich vergiften, es könnte kontaminiert sein. Es könnte Chemikalien enthalten, die mein Nervensystem angreifen könnten – und dann, dann wäre es aus mit mir. Nur, weil ich dem Drang nicht widerstehen konnte, ein Buch anzufassen. Ohne Schutzhandschuhe.

In Lilas Welt, im Paris der nicht allzu fernen Zukunft, sind Bücher verschwunden. Doch das ist nicht die eigentliche Geschichte, das ist nur der Aspekt, der mich am meisten berührt hat.

Als Lila fünf Jahre alt ist, sieht sie, wie schwarzgekleidete Männer ihre Mutter mitnehmen; sie selbst wird völlig verwahrlost in einem Heim untergebracht. Sie spricht nicht viel, will sich nicht berühren lassen – sie ist ein völlig verstörtes Kind, das zu keinem normalen Sozialleben fähig ist. Sie bleibt im Heim. Dort will man sie an ein normales Leben heranführen, sie dazu bringen, in der Menge unterzutauchen, nicht aufzufallen. Lila fügt sich ihrem Schicksal – jedoch nur weil sie ein Ziel hat – sie will ihre Mutter wiederfinden. Dazu muss sie so tun, als ob sie sich zu einer normalen jungen Frau entwickeln würde, denn nur so wird man sie eines Tages aus dem Heim entlassen. Nur so wird es ihr möglich sein, ihrem Ziel einen Schritt näher zu kommen.

Das Schicksal der kleinen Lila ist sehr bewegend. Von der Mutter vollkommen vernachlässigt hat sie schwere Schäden an Körper und Seele davon getragen – und doch hegt sie keinen Groll gegen die Frau, die ihr das alles angetan hat. Sie verzeiht ihr, auch wenn sie dafür nach menschlichem Ermessen keinen Grund haben dürfte. Es ist ihre Mutter, es bleibt ihre Mutter, auch wenn sie es rechtlich gesehen gar nicht mehr ist und ihre Identität vor Lila geheim gehalten wird.

Blandine Le Callets Roman ist in meinen Augen keine typische Dystopie, auch wenn sie eine Zukunft beschreibt, in der der Staat jeden einzelnen seiner Bürger genauestens überwacht, in der Paris in das Stadtzentrum und die Randbezirke, die sogenannte Zone, eingeteilt ist. In der es nur im Zentrum sicher ist, denn die Zone wird von Banden regiert, es herrschen Armut und kriegsähnlich Zustände.

Untypisch deshalb, weil es sich nicht so sehr auf die Umstände beschränkt, wie ich es sonst von Dystopien gewohnt bin. Im Zentrum steht Lilas Geschichte und dass sie in dieser Welt lebt, ist nun einmal so – Lila könnte auch in unserer Zeit leben, gleich um die Ecke und dasselbe Schicksal erleiden – die Welt, die Le Callet beschreibt machen den Roman nur noch einzigartiger und bunter, besonderer.

Eigentlich kann ich gar nicht so recht in Worte fassen – Warum schreibt sie es dann? – warum mich dieses Buch so in seinen Bann zieht, was es so besonders macht. Es appelliert direkt an mein Gefühl, an mein Herz, die Sprache setzt sich in mir fest und lässt mich nicht mehr los. Lila lässt mich nicht mehr los. Ich verfolge sie, genau wie die Regierung es tut, doch mit echtem Interesse an ihrem Leben und ihren Gefühlen. Ich will wissen, wie sie sich entwickelt, wie sie lernt zu leben und zu lieben – und wie sie letztendlich ihren Platz in einer Gesellschaft findet, die eigentlich nicht für sie gemacht ist.



Gebundene Ausgabe: 368 Seiten, erschienen bei Ullstein, März 2012. Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky, Originaltitel: La Ballade de Lila K.

ISBN: 978-3550088711

Blandine Le Callet – Die Ballade der Lila K


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