Blacksad: Under the Skin ist die erste Adaption des berühmten spanischen gleichnamigen Comics, der mehrere -Preise abräumen konnte. Das Projekt wurde an Pendulo Studios, einem auf grafische Abenteuer spezialisierten Madrider Studio, gegeben, die bisher Titel wie Yesterday Origins, New York Crimes oder Hollywood Monsters produzierten. Das Studio entschloss sich, keinen der fünf Comics zu adaptieren, sondern eine völlig neue Geschichte zu schreiben, die zwar nicht von ihren ursprünglichen Schöpfern verfasst, aber von ihnen betreut wurde. Also eine gute Gelegenheit, den von Juan Díaz Canales und Juanjo Guarnido geschaffenen Detektiv in einem neuen Fall zu sehen?
Worum geht's?
Im Spiel spielen wir John Blacksad, eine anthropomorphe Katze, die als Detektiv in New York in den 1950er Jahren arbeitet. Ein Charakter, der seine Arbeit sehr ernst nimmt, der immer noch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs im Sinn hat, ein ehemaliger Soldat, der sich in den berüchtigtsten Vierteln der Stadt die Knochen kaputtgemacht hat, der nun seinen Lebensunterhalt bestreitet, indem er sich mit Leib und Seele der Lösung kontroverser Fälle im Auftrag von Privatpersonen widmet. John ist mit Intelligenz und deduktiven Fähigkeiten ausgestattet. Es sind genau diese Eigenschaften, die es ihm ermöglichen, Ereignisse, Personen und Anhaltspunkte miteinander in Verbindung zu bringen, um die Beweise für die Fälle, für die er eingestellt wurde, mit großer Schlauheit zusammenzustellen.
Die Ereignisse, die in diesem neuen Abenteuer erzählt werden, finden chronologisch zwischen den Bänden Arctic Nation und Anima Rossa statt. Die Handlung konzentriert sich auf den Fall des verschwundenen Boxstars Bobby Yale, dessen Mentor und Boxklubbesitzer Joe Dunn eines Morgens mit Strick ums Genick über dem Boxring pendelte. Dunns Tochter Sonia Dunn beauftragt Blacksad, Bobby Yale aufzuspüren, damit der mit einem großen Kampf den Boxklub vor der Pleite rettet. Aber hat Joe Dunn sich wirklich selbst getötet? Nach und nach öffnet sich ein klassischer Kriminalfall, unter dessen Oberfläche weitaus mehr zum Vorschein kommt, als es zunächst den Anschein hat.
Diese Geschichte könnte glatt von Comic-Autor Juan Díaz Canales stammen und passt in die Atmosphäre, die aus den Comics bekannt ist. Die Atmosphäre ist extrem „noir" und ist mit den üblichen Hintergrundthemen wie Korruption, illegales Glücksspiel, Rassismus, Kriegsfolgen oder Kommunismus versetzt. Insgesamt sind Story und Skript unterhaltsam, mit tollen Twists und durchweg spannend.
Ein Zoo voll Narretei
Das Spiel selbst läuft wie ein klassisches Telltale-Adventure ab. Oder wie Heavy Rain. Diese Gameplay-Machart fordert primär schnelle Reaktionstests, in denen die auf dem Bildschirm angezeigten Feuerknopf-Aktionen durchgeführt werden müssen. Drücken wir den Stick zu spät nach links, kassiert Blacksad beispielsweise einen empfindlichen rechten Haken. Mit klassischem Point and Click hat das freilich wenig bis gar nichts zu tun, das Gameplay läuft auch mehr oder weniger auf Schienen. Allzu oft verlaufen kann man sich nicht, und auch unüberwindbare Rätsel sind im Test nicht aufgefallen.
Auf seinem Weg begegnet Blacksad verschiedenen anthropomorphen Charakteren aus dem Comic-Universum. Die meisten von ihnen sind neu erschaffen, aber Fans der Reihe kommen auch auf ihre Kosten, etwa mit der Anwesenheit von Kommissar Smirnov oder dem Fotografen Weekly.
Wortgefechte mit anderen Charakteren sind hier auch zentraler Bestandteil der Ermittlungen, da passende Antworten den Weg für eine Vielzahl von Entscheidungen in Bezug auf die durchzuführende Strategie ebnen. Zum Beispiel ist es möglich, ehrlich zu sein oder schamlos zu lügen, offenherzig zu agieren oder verschlossen, um die Karten erst im richtigen Moment auf den Tisch zu legen. Manchmal muss schnell gehandelt werden, da auf dem Bildschirm eine Zeitanzeige angezeigt wird, die vor Ablauf eine Antwort einfordert - aber meist zu knapp bemessen ist, um überhaupt alle Optionen lesen und verstehen zu können.
Die permanent zu treffenden Entscheidungen beispielsweise in den Dialogen haben übrigens auf den eigentlichen Handlungsverlauf kaum Einfluss. Vielmehr sind sie ein Mittel, die Persönlichkeit unseres Protagonisten zu definieren, die schwieriger oder sensibler, ehrlicher oder pragmatischer, einsamer oder romantischer sein kann. Obwohl es effektiv nichts bringt, ist es dennoch ein netter Zeitvertreib, Blacksads Charakter in die eine oder andere Richtung zu gestalten.
Das ist übrigens alles schon mal dagewesen, selbst vermenschlichte Tiere im Kriminal-Adventure: Niemand geringeres als LucasArts holte 1993 mit Sam & Max einen Anarcho-Comic als Point and Click auf die Röhrenmonitore der Heimcomputer. Ein absolutes Kultspiel seines Genres, das Mitte der 2000er Jahre eine episodenhafte Fortsetzung auch auf Konsolen erfuhr. Blacksad kann an diesen Erfolg aber leider nicht anknüpfen, und das hat weniger mit der gut geschriebenen Story zu tun, als mehr mit technischen Unzulänglichkeiten.
Als würde man eine Beta spielen
Zunächst fällt auf, dass die Position der Kamera in den meisten Situationen völlig daneben ist. Die Perspektive ist meistens dermaßen ungünstig, dass man kaum etwas erkennt und die meiste Zeit Blacksad frontal auf den Spieler zulaufen sieht. Grundlegend ändern kann man die Perspektive zu allem Unglück nicht.
Doch die Kamera ist noch das kleinste Problem. Zum Test bekamen wir die Verkaufsversion auf Disc, die nahezu unspielbar ist. Massenhafte Clippingfehler, gigantische Einbrüche der Framerate in kleinsten Ingame-Videosequenzen, fehlende Sprachausgabe in den Dialogen, spontane Blackscreens - und es kann passieren, dass man plötzlich wieder am Anfang des jeweiligen Kapitels steht, von jetzt auf gleich. Mit einem Day One-Patch von satten 12 Gigabyte (!!) sind die gröbsten Schnitzer zwar behoben, aber es ist eine unglaubliche Frechheit, ein Spiel in diesem Zustand in den Verkauf zu geben. Zumal es in Deutschland 2019 noch genug Gegenden gibt, in denen kein Highspeed-Internet liegt und der Download von 12 GB mal eben zur Wochenaufgabe werden kann. (Ein Beispiel seht Ihr rechts: Die fetten grauen Pixel im Bild entstehen beim Heranzoomen.)
Krönung des Desasters: Der Autosave-Spielstand wurde nur zufällig beim erneuten Spielstart wiederaufgenommen. Meist blieb der Klick auf „Fortsetzen" im Hauptmenü folgenlos - bis auf einen Blackscreen.
Technisch kein Überflieger
Selbst im Genrevergleich ist der Titel grafisch bestenfalls unterer Durchschnitt. Neben den bereits genannten technischen Schnitzern fallen vor allem in der Grafik weitere Bugs auf: Texturen werden beim Ranzoomen bis zur Unkenntlichkeit gröber gepixelt, mitunter bewegen die Charaktere beim Sprechen nicht einmal die Lippen, komplette Objekte blenden munter ein und wieder aus. Abgesehen davon ist die Darstellung ohnehin nicht mehr zeitgemäß und wirkt wie aus dem Jahre 2010. Einen Kontrast hierzu bildet der wirklich gelungene Jazz-Soundtrack, der die Epoche der 1950er Jahre adäquat einfängt und wirklich eine positive Überraschung ist: Seriös, unaufdringlich, nie ins Fahrstuhlgedudel abfallend, auch in Wiederholungen stets angenehm im Ohr.
Fazit
Was für ein Reinfall: Während die Story wirklich gelungen ist und das Ermitteln mit den ungewohnten Charakteren tatsächlich Spaß macht, reißen die technischen Unzulänglichkeiten alles wieder ein. Es ist nicht nur die grundsätzlich veraltete Grafik, es sind vor allem die schwerwiegenden Programmfehler, die einen fließenden Genuss des Adventures nahezu unmöglich machen. Zwar soll die Version 1.03 mittlerweile rundum stabil laufen, doch in diesem Entwicklungsstatus ein Produkt in die Ladenregale zu befördern, ist grob gesagt eine Zumutung. Schade: Für 10-12 Stunden unterhält der Krimi wirklich gut und die Musik ist ernsthaft fantastisch. Blacksad eignet sich daher nur für waschechte Fans der Comics, von denen es hierzulande nicht allzu viele geben wird.