Stell Dir vor, Du siehst „anders“ aus. Du hast zum Beispiel eine schwarze oder braune Hautfarbe. Was steckt dahinter, wenn Polizisten plötzlich auftauchen, Dich mitten auf der Straße niederwerfen, Dir Dein Handy abnehmen (Du telefonierst gerade), Dich ohne Begründung auf die Wache schleppen und stundenlang festhalten? Oder wenn Du im Auto sitzst, den Polizeiwagen freundlich vorbeiwinken willst und der Polizist statt weiterzufahren aussteigt und Deine Papiere überprüft? Das sind Anzeichen des strukturellen Rassismus bei der Polizei, und die ist Spiegel unserer Gesellschaft.
„Racial Profiling“, eines der derzeit umstrittensten Symptome dieser scheußlichen Volkskrankheit, Rassismus in institutionalisierter Form, war Thema der heutigen Podiumsdiskussion im „Circus“ an der Bleichstraße. Auf dem Podium, moderiert von Hadija Haruna vom ISD (Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland): Biplab Basu (KOP Berlin), Hendrik Cremer (Institut für Menschenrechte, Berlin), Ibrahim Danbaki Habib (Initiative Christy Schwundeck, Frankfurt), Martin Herrnkind (Amnesty International/Abt. Polizei und Menschenrechte), Mürvet Öztürk (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) und Jamie Shearer (ISD).
Brechend voller Saal, viele interessante Beiträge, auch aus dem Publikum: Rassismus ist bei der Polizei schon lange Thema, das wird aber öffentlich nicht zugegeben. Die meisten Polizisten glauben nicht, dass sie Rassisten sind, sie machen bloß ihren Job. Die Politik nimmt das Thema Rassismus nicht ernst, außer kurz vor Wahlen. Polizisten werden so gut wie nie für Untaten zur Rechenschaft gezogen, selbst bei Mord nicht. Staatsanwälte decken die Polizisten, etwa, indem sie die standardmäßige Gegenanzeige „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ ernster nehmen als die Anzeige eines seiner Grundrechte beraubten Bürgers, schon gar, wenn der ethnisch „anders“ ist. In der juristischen Ausbildung haben Menschenrechte einen geringen Stellenwert. Die Vorgehensweise der NSU-Mörder war angewandtes Racial Profiling (ein weiterer Hinweis auf deren Verflechtung mit den Sicherheitsbehörden?). In den Augen der Sicherheitsbehörden war bei der Aufklärung der NSU-Morde die türkische Ethnizität der Mordopfer ein Garant für Kriminalität. Aber: „Wir sind Deutsche, wir zahlen Steuern, wir arbeiten hier, wir tragen dazu bei, dass dieses Land vorankommt“, so Ibrahim Danbaki Habib als Vertreter der Initiative Christy Schwundeck, Frankfurt. Woraus folgt: Wir Deutschen müssen ein anderes Selbstbild entwickeln.
Was tun? Konventionen schützen uns nicht. Wir müssen uns organisieren, auf die Straße gehen, Öffentlichkeit herstellen, Druck ausüben, meint Biplab Basu von KOP Berlin. Wir brauchen eine externe Anlaufstelle in Frankfurt für Leute, die Opfer von rassistischen Polizeiübergriffen geworden sind. Denn wie die Lage aktuell ist, nutzen uns unsere Rechte als Deutsche nicht viel, solange die Gerichte immer zugunsten von Polizisten urteilen. Als Betroffener einer Polizeiaktion kann man schnell tot sein, wie im Fall Christy Schwundeck. Die schießfreudige Polizistin kam trotz widersprüchlicher Aussagen vor Gericht gänzlich ungeschoren davon. Tipp von Martin Herrnkind von Amnesty: Die Erfahrungen nutzen, die im England der 70er und 80er mit rassistischer Polizeigewalt gemacht wurden.
Den Vereinsnamen: Initiative Schwarzer Menschen, finde ich übrigens ein wenig schwierig: Es geht ja nicht nur um schwarze, sondern insgesamt um farbige Menschen in Abgrenzung zu weißen Menschen, oder?