Björn Berge
«Blind Date», unter diesem Namen firmiert die heutige und erste Veranstaltung der diesjährigen Saison im Amphitheater ähnlichen Dreiviertelrund auf der Burg Wilhelmstein in Würselen, das heißt: Die anwesenden Zuschauer wissen nicht, wen sie auf der Bühne erleben werden. Das Ganze findet zugunsten der Aktion „Menschen helfen Menschen“ statt. Und: Das Event ist mit ca. 900 Zuschauern ausverkauft!!
Ich habe dem Tourplan entnommen, dass Bjørn Berge einer der drei Akteure sein wird. Wie er mir vor dem Konzert verrät, wird er nur etwa eine Dreiviertelstunde auf der Bühne sein, was ihm nicht direkt behagt, er spielt nicht gerne unter so einem Zeitdruck. „Dann hast du weniger Raum, ein Konzert zu entfalten.“
Um zirka 20:30 Uhr betritt er dann die Bühne und nimmt auf dem bereit stehenden Stuhl Platz. Vor ihm ein Panel mit diversen Effektgeräten (Loops, Echo, Hall etc.) und die berühmte Stomp Box, mit der er sich rhythmisch begleitet.
Mit „Buena“, einem Titel seiner CD „I’m The Antipop“ beginnt er den Auftritt. Und gleich von da weiß man, wo es musikalisch lang gehen wird für die nächste Zeit. Als Referenz und zum Daheim anhören, gereicht die CD „Live In Europe“, hier finden sich die meisten Titel wieder, die auch an diesem Abend gespielt werden.
Der Sound ist gut, für meinen (und Bjørn’s) Geschmack hätten es ein paar Phon mehr sein können, aber die Zugeständnisse an die Anwohner eines solchen Events sind halt notwendig.
Das tut der Spielfreude des Norwegers aber keinerlei Abbruch. Was er aus seinen beiden Akustikgitarren (12- bzw. 6- saitig) erklingen lässt, ist bescheiden geschrieben phänomenal. Das Repertoire reicht von klassischen Folksongs wie Woody Guthry’s «Vigilanti Man» zu Motörhead’s metallschweren «Ace Of Spades». Dazwischen ist quasi alles möglich. «Mountain Boogie» zum Beispiel. Dieser „Boogie“ erweist sich als eine Art norwegischer Volkstanz. Einige Titel, die im Herbst auf der neuen CD erscheinen werden sind auch im Gepäck:«Drifting Blues» beispielsweise, den er als Zugabe präsentiert. Wer nach Vorbildern oder Einflüssen zu Bjørn’s Spielweise sucht, wird unweigerlich beim großen Leo Kottke fündig werden.
Es ist eine wahre Freude, dem Künstler auf die Finger zu schauen. Sie fliegen förmlich über die Saiten. Erstklassige und saubere Pickings, auf einer 12- saitigen Gitarre noch weniger einfach als ohnehin schon, grandioses Sliding, der dumpfe Bassdrum- Schlag der Stompbox, die nicht größer ist als eine CD- Box, und dazu diese dunkle, raue und kräftige Stimme da unten irgendwo im Baritonbereich. Das geht schier unter die Haut. Die One Man Show Bjørn Berge ersetzt quasi eine ganze Band. Ausgefallene Bassläufe, dazu gleichzeitiges Akkord- bzw. Melodiespiel, nebst Rhythmussektion und Gesang. Die ultimative «Stringmachine» in Person.
Damit weiß er Atmosphären zu zaubern. Er nimmt uns mit auf eine musikalische Reise, auf der man viele neue Eindrücke und Ansichten bekommt, eine Reise, von der man sich wünscht, sie möge noch lange anhalten.
Für Bjørn Berge ist dieser Abend sicherlich auch Gelegenheit, sich einem Publikum zu zeigen, das nicht unbedingt die „usual crowd“ der ohnehin schon Fans ist, oder derer, die gerade dabei sind, eben solche zu werden. Dieses Publikum erweist sich als wirklich offen für seine Musik. Zeichen hierfür ist der laute und kräftige Beifall für den «Antipop», der nichts dagegen hat, populär zu sein bzw. zu werden.
Nein, Bjørn Berge lebt für seine und mit seiner Musik. In seiner Heimat Norwegen gehen seine CDs verdientermaßen in die Charts, was hierzulande undenkbar ist. Noch. Wir arbeiten daran!
Fazit: Ein Konzert von Bjørn Berge ist für den „open minded“ Bluesfan ein absolutes Muss, was es für den Fan von moderner, akustischer Gitarrenmusik ohnehin schon ist. Deshalb meine uneingeschränkte Empfehlung: Bloß unbedingt nicht verpassen, wenn er im Oktober 2009 wieder durch unser Land tourt, um die neue CD vorzustellen.
Text und Fotos © 2009 Tony Mentzel