Biutiful

Von Jan
Es war eine kleine Sensation. „Babel“ war eine relativ schlichte Produktion, der kaum Chancen eingeräumt wurde, auf dem internationalen Markt zu bestehen, geschweige denn, wichtige Filmpreise und Belobigungen zu erhalten. Die Gründe hierfür sind relativ klar. Es handelt sich um einen Episodenfilm, der zu drei Vierteln mit Untertiteln unterlegt ist. Das mag wichtig sein, um das eigentliche Thema – die Wirren der verschiedenen Sprachen – zu veranschaulichen, ist aber erfahrungsgemäß ein echter Publikumskiller. Die Überraschung war perfekt. Der Film erreichte ein enormes Einspielergebnis, floppte nicht einmal in den USA und kassierte Oscar-Nominierungen in allen wichtigen Kategorien, die er 2007 nur wegen der unglaublich dicht gesäten ebenbürdigen Konkurrenz nicht in Auszeichnungen umwandeln konnte. Alles in Allem war es ein voller Erfolg und Regisseur Inarritu hatte allen Grund, sich selbst die Schulter zu klopfen. Trotzdem hat er sich vier Jahre Zeit gelassen, einen neuen Film zu machen, der nun auch endlich in weimarer Kinos zu sehen ist.
Uxbal ist ein Kleinkrimineller, der sich in Barcelona durch schlägt. Seine Haupteinnahmequelle sind illegale Einwanderer aus Afrika, die sich als Straßenhändler und Dealer betätigen. Er verschafft ihnen gute Plätze und hält ihnen die Polizei vom Hals. Außerdem vermittelt er für ein paar chinesische Industrielle Jobs für deren illegale Arbeitskräfte. Zusätzlich betätigt er sich als Medium und wird von Menschen gerufen, die einen verstorbenen Mitmenschen betrauern. Er nutzt telepathische Fähigkeiten, um letzte Botschaften der Toten zu empfangen. Er weiß, dass ein Verstorbener niemals würde gehen können, wenn er in der Welt der Lebenden noch etwas unerledigt zurück gelassen hat. Nachdem er nach einer Routineuntersuchung beim Arzt eine erschütternde Nachricht erhält, will er sich verstärkt der Familie widmen, damit er eben nichts zurück lassen muss und in Frieden die Welt verlassen kann.
„Biutiful“ erzählt zwei Geschichten. Wir erleben einmal den etwas aufgeplusterten Leidensweg des kleinen Gangsters Uxbal, der immer wieder ins Mystische und auch ins Melodramatische, gar Kitschige abrutscht. Der andere Part ist wesentlich realistischer und härter und berichtet über das Leben am Rande der Gesellschaft in einer riesigen Stadt, wie Barcelona. Während Uxbal immer wieder in Szenen, familiärer Banalitäten zu sehen ist, führt uns Inarritu stets die ungeschönte Wahrheit vor Augen, was mitunter in schockierenden und drastischen Szenen gipfelt. An diesen Stellen kommt der Film aber immer wieder ins Straucheln, denn irgendwie wirken diese beiden Teile der Geschichte so inkompatibel, dass das Gesamtbild und die Glaubwürdigkeit des ganzen Films immer wieder Flöten geht. Allerdings schafft es der Film mit viel Mühe, den Zuschauer immer wieder auf den richtigen Weg zu bringen, und baut an den richtigen Stellen eine enorme Spannung auf. Trotzdem ist das Erzählkonzept von „Biutiful“ nicht so flüssig und ausgereift, wie das bei „Babel“ gelungen ist. Man gewinnt den Eindruck, der Film will zu viel erzählen und ist trotz seiner langen Laufzeit enorm voll gepackt und geradezu überladen. Trotz einiger Kleinigkeiten, die mich noch stören, was die technische Umsetzung mancher Szenen angeht, beeindruckt der Film allein durch die mächtigen und ausdrucksstarken Bilder, die ununterbrochen auf die Sinne prasseln und das war ja seinerzeit auch die größte Stärke von „Babel“.
„Biutiful“ ist gut, aber nicht so gut, wie man es angesichts der langen Produktionszeit und des fantastischen Hauptdarstellers hätte erwarten können. Die Mängel des Films sind eben nicht den Fähigkeiten der Mitwirkenden geschuldet, sondern dem Gesamtkonzept, welches sich einfach einen Tick zu viel vorgenommen hat. Sehenswert ist „Biutiful“ allemal, schon allein, um sich wieder mal zu beweisen, dass Javier Bardem einer der besten und vielseitigsten Schauspieler unserer Zeit ist, und es hoffentlich noch sehr lange bleiben wird.
Biutiful (ESP, MEX, 2010): R.: Alejandro Gonzales Inarritu; D.: Javier Bardem, Maricel Alvarez, Eduard Fernandez, u.a.; M.: Gustavo Santaolalla; Offizielle Homepage

In Weimar: lichthaus
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