Deutschland hat gewählt. Der Souverän hat sein Machtwort gesprochen. Und wer da hoffte, die Deutschen würden sich für eine neue Politik entscheiden, erhielt eine kräftige Ohrfeige.
Beinahe wäre der Union die absolute Mehrheit der Sitze gelungen. Das hatte sie bislang nur 1957 in der dritten Wahlperiode des Bundestages geschafft, aber damals hatte sie auch die Mehrheit der Stimmen erhalten. Diesmal blieb sie untter 42 %. Das ist dem neuen Wahlrecht geschuldet, aber auch der Tatsache, dass wegen der 5-Prozent-Hürde rund 15 % aller Stimmen nicht berücksichtigt wurden. Denn, und das ist das eigentlich Sensationelle an dieser Wal, die FDP hat nach 65 Jahren den Einzug in den Bundestag nicht mehr geschafft. Sie blieb ebenso draußen, wie die eurokritische Alternative für Deutschland, der man am Ende einen Einzug ins Parlament zugetraut hatte. Enttäuschend war auch allgemein das Abschneiden der linken und bürgerrechtsliberalen Parteien. Grüne und Linkspartei verloren beide um die drei Prozentpunkte, die Piraten schafften nur gut 2 % und blieben weit hinter den noch vor wenigen Monaten gesteckten hohen Erwartungen zurück.
Was lernen wir aus dieser Wahl?
1.: Der sogenannte mündige Bürger wählt eben mündig. Er tut nicht das, was Linke, Fortschrittler und Aktivisten von ihm erwarten. Das mag eine bittere Pille sein, man wird sie aber nichts desto trotz schlucken müssen. Das ist Demokratie, und wir Linken, Fortschrittler und Aktivisten werden uns vorhalten müssen, die Menschen nicht genug überzeugt zu haben, ihre Lebenswirklichkeit nicht zu kennen oder keine alltagstauglichen Argumente zu besitzen.
2.: Die von bestimmten Medien und den linken politischen Akteuren gebetsmühlenartig heraufbeschworenen Skandale haben das Herz des einfachen Bürgers und der einfachen Bürgerin viel weniger erreicht, als wir das gehofft haben. Denn die Wahlbeteiligung lag erfreulicherweise höher als vor 4 Jahren, wenn auch nur um ein knappes Prozent. Die CDU aber war es, die davon am meisten profitierte.
3.: Inhaltsleerer Wahlkampf funktioniert, solange die meisten Bürgerinnen und Bürger genug zu essen haben, und solange die Angst ständig geschürt wird, das könnte sich einmal ändern. Angst vor gesellschaftlichem Abstieg lässt die Menschen offenbar handzahm werden.
4.: Dass die FDP nicht mehr im Bundestag ist, ist wohl weniger ihrer desastreusen Politik geschuldet, als vielmehr dem rigorosen Auftreten der Union gegen ihre Leihstimmencampagne in den letzten Tagen. Sonst hätte es für Westerwelle und co nämlich doch noch gereicht.
Somit steht fest: Die Ohrfeige haben ganz klar die linken und fortschrittlichen Kräfte jeglicher Couleur bekommen, und sie wird weithin widerhallen in den kommenden Jahren. Auch ich fühle sie im Gesicht und im Herzen brennen.
Was aber geschieht jetzt politisch? Wer wird mit wem regieren?
Die Frage ist im großen und ganzen unwichtig und uninteressant. Viele Möglichkeiten gibt es nicht: Angela Merkel kann es mit der SPD oder mit den Grünen versuchen. Die SPD wird, aus althergebrachter Feindschaft und aus Angst vor weiterem sozialem und politischem Abstieg, auf keinen Fall mit der Linkspartei koalieren, und damit ist im Bund die einmalige Chance auf eine Mehrheit der Veränderung verspielt. Mit einer rot-rot-grünen Koalition, die es ernst gemeint hätte, hätte man den Wählerinnen und Wählern zeigen können, wozu linke und gerechte Politik in der Lage ist. Aber so wird es nicht kommen. Wenn die Grünen sich für eine Koalition mit der Union hergeben, treten sie endgültig in die Fußstapfen der FDP, eine Entwicklung, die schon länger zu beobachten ist. Viele nennen die Grünen schon die FDP für Umweltbewusste. Wenn es zu einer Union-SPD-Regierung kommt, dann erhalten die Mächtigen ihre Macht. So einfach ist das.
Und was wird aus der FDP?
Gar nichts. Entweder sie kauft sich mit Geldern der Initiative neue soziale Marktwirtschaft wieder in den Bundestag ein, nachdem sie sich intern reorganisiert hat, oder sie geht zu Grunde. Schade wäre es nur um die Liberalen, die diesen Begriff nicht nur im wirtschaftlichen Sinne gebrauchen, wie Burkhard Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Die AFD könnte auf die Dauer eine gewisse Veränderung bringen. Sie ist tatsächlich eine Protestpartei mit einem klaren, einfachen Fokus: Der Euro ist schuld. Sie mag unberechenbar sein, aber sie tritt nach außen hin geschlossen auf, das mögen die Leute. Deshalb haben es die Piraten nicht geschafft, obwohl sie vor einer Weile mal tatsächlich Probleme angesprochen haben, die die Menschen interessierten.
Deutschland wird auch in den kommenden Jahren von Angela Merkel regiert. Man wird sie noch oft in der Pose mit der Raute der Macht sehen, und so ist sie ja jetzt auch im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud verewigt. Die Hände der Kanzlerin umschließen das Nichts der Macht und halten diese Macht mit aller Macht fest.
Bleibt mir zum Schluss nur noch, zwei Sätze über Hessen zu verlieren. Dort hat die FDP in letzter Sekunde den Einzug ins Parlament noch geschafft, nachts um 2 Uhr. Damit haben wir wieder hessische Verhältnisse: Keiner der Blöcke kann allein regieren. Entweder es kommt zu einer großen Koalition, oder zu einer schwarz-grünen Regierung. Oder, und das hat vor 5 Jahren schon mal jemand vergeblich versucht, die SPD nähert sich der Linkspartei für eine gemeinsame Regierung an. Tut sie das nicht, und sind auch die anderen Koalitionen nicht machbar, dann stehen, wie so oft in Hessen, bald wieder Neuwahlen an, bis das Ergebnis wieder stimmt! Passt scho!
Wahlergebnis beim Bundeswahlleiter
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