Bitte nur keine fremde Gesellschaft!

Im Kasino am Schwarzenbergplatz wird Harold Pinters Klassiker „Party Time“ aus dem Jahr 1991 gezeigt. Ein kurzer, tiefschwarzer Einakter des Nobelpreisträgers für Literatur, der eine Upper-Class-Gesellschaft beim Feiern zeigt. Miloš Lolić führt dabei zum ersten Mal treffsicher am Burgtheater Regie. 2012 erhielt er mit seiner Inszenierung von „Magic Afternoon“ am Volkstheater die Auszeichnung „Bester Nachwuchs“ im Rahmen der Nestroy-Preisverleihung und war 2014 auch bei den Salzburger Festspielen Gast.

Party Time von Harold Pinter im Kasino am Schwarzenbergplatz (c) Reinhard Werner/Burgtheater Ensemble (c) Reinhard Werner/Burgtheater

Lolić greift zu einem dramaturgischen Trick, um das für eine Bühne extrem kurze Geschehen auf 1 Stunde und 15 Minuten auszudehnen. Insgesamt vier Mal hintereinander darf das Ensemble den Pinter-Text spielen, in jeweils verändertem Setting, mit immer kürzer werdenden Statements. Zu Beginn jedoch schleichen die Schauspielerinnen und Schauspieler wortlos in einem Pulk quer über die Bühne, das Publikum beinahe ängstlich oder argwöhnisch im Visier. Darauf folgt eine atemraubende Tanzsession zu harten Techno-Trance-Beats, bevor die davon Ausgepowerten ihr Bühnenbild – eine Podest-Konstruktion aus Aluminium – gemeinsam ins Blickfeld schieben. Diese erst einmal erklommen, beginnen sie mit der Deklamation von Pinters Text, in dem er nicht nur die einzelnen Befindlichkeiten dieser Menschen aufzeigt. Er lässt auch, durch Randbemerkungen angedeutet, durchblicken, dass sich außerhalb des Partygeschehens in der Stadt, die keinen Namen trägt, wohl Schreckliches abspielt. Von Barrikaden ist da kurz die Rede, von Soldaten, die patrouillieren, sogar vom Schwarzen Tod. Während aber draußen offenbar das große Sterben angesagt ist, zumindest jedoch eine politische Willkür waltet, wird drin ausgelassen gefeiert. Der Luxus im dem geschwelgt wird, wird durch einige Kronleuchter markiert, die im Laufe des Abends jedoch erlöschen. (Bühne Sabine Kohlstedt)

Drei Männer und vier Frauen sind der Einladung von Gavin (wortgewaltig und artikulationsstark Michael Masula) gefolgt und betreiben Small Talk, der ihren Charakter offenbart. Elaboriert und völlig von den Geschehnissen im Land abgehoben, agiert Elisabeth Augustin als „Dame Melissa“. Ihre „Freunde“, die laut ihrer eigenen Definition gar keine waren, sind längst alle tot und das Land, das sie selbst bewohnt, scheint eine Insel der Seligen zu sein. Ganz in Schwarz gekleidet ist sie zwar die Grande Dame des Abends, die Macht über das Geschehen, das bei Pinter nur im Subtext vorkommt, liegt jedoch nicht in ihren Händen. Die beiden Freunde Fred (Daniel Jesch) und Douglas (Marcus Kiepe) scheinen gute Kontakte in das nicht näher beschriebene Machtzentrum zu haben. Skrupellosigkeit und Größenwahn sind ihnen zumindest eigen. Die Dialoge offenbaren, dass die Menschen, die sich hier zusammengefunden haben, großteils völlig beziehungsunfähig sind. Sie sind Egomanen und soziale Autisten, denen ihr Status und der Machterhalt wichtiger als ein gedeihliches Zusammenleben mit ihren Mitmenschen ist. Was sie interessiert, ist ihr Golfspiel und das Protzen mit einem eigenen Boot oder einer Insel, die im Sommer gemietet wird, samt allen Einwohnern, die dann als Bedienstete agieren.

Alexandra Henkel mimt Charlotte, eine verwitwete Frau, deren Mann reichlich Vermögen hinterlassen hat und die auf der Party Fred, einen ehemaligen Liebhaber, wieder trifft. Stefanie Dvorak, die zuletzt als Mariedl in den Präsdidentinnen im Akademietheater brillierte, ist die völlig naive Ehefrau von Douglas, deren Verdienst im Gebären und Großziehen von Zwillingen bestand.

Ensemble (c) Reinhard Werner/Burgtheater Mavie Hörbiger (Dusty) (c) Reinhard Werner/Burgtheater

Dusty, als einzige in der Gesellschaft herrlich aufmüpfig, zugleich aber lebensunfähig, dargestellt von Mares Hörbiger, fragt immer wieder nach dem Verbleib ihres Bruders „Jimmy“ (Christoph Radakovits). Ihr Mann Terry (Philipp Hauß), ein brutaler Frauenverächter, hindert sie jedoch immer wieder daran, Jimmys Verbleib zu hinterfragen. Tatsächlich wird der Bruder am Ende des ersten Aufzuges nicht nur erscheinen, um von seiner Geschichte zu erzählen. Bei Lolić wird er auch zum Mörder, vor dem sich die Gesellschaft in Panik zu einem einzigen Menschenknäuel zusammenkauert.

In den nächsten drei Durchläufen verändert sich die visuelle Wahrnehmbarkeit des Geschehens drastisch. Gibt es im zweiten ein Gedränge um die besten Plätze auf dem Podium, müssen sich im dritten Teil alle darunter wie in einem Bunker zusammenpferchen. Doch selbst dieser Unterschlupf bleibt kein gesichertes Terrain. Am Ende robbt die feine Gesellschaft aus ihrem Versteck, um die Bühne durch einen Seiteneingang schließlich ganz zu verlassen.

Die Idee von Miloš Lolić, Pinters Text den Fall der Mächtigen explizit hinzuzufügen, ist sehr zeitgeistig. In dieser Saison brachte das Schauspielhaus mit „Der Grüne Kakadu“ von Arthur Schnitzler ebenfalls ein Stück über den Verfall und das Ende einer Gesellschaft, welcher sich ihres Daseins an der Kippe gar nicht bewusst ist. Dass sich unser Leben derzeit in einer heftigen Umbruchphase befindet, ist mittlerweile in der westlichen Welt so etwas wie ein Common Sense. Welche Strukturen verschwinden und welche an ihre Stelle treten werden, dies ist noch nicht vorhersehbar. Man muss jedoch nicht wirklich prophetisch veranlagt sein, um die Antizipation der Geschichte von Lolić zumindest in den Bereich des Möglichen einzureihen.

Weitere Termine auf der Internetseite des Burgtheater.


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