Schon früh wusste ich: Wenn ich mal nicht mehr ganz jung wäre, dann würde ich zu den Menschen gehören, die der Jugend keine Steine in den Weg legen. Ich würde mich freuen an ihrem Drang, die Welt verändern zu wollen, würde ihnen den Rücken stärken, wenn andere Leute meiner Generation sich gegen ihre Anliegen stemmten und hätte stets ein offenes Ohr für ihre Sicht der Dinge.
Sofern Jugendliche mehr oder weniger ticken wie ich, bin ich tatsächlich so, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber in meinen rosaroten Träumen rechnete ich nicht mit einem Phänomen, das ich in letzter Zeit – vor allem im kirchlichen Bereich, aber auch anderswo – beobachte. Da gibt es junge Menschen, die sich an der Mottenkiste, die wir unter grossen Mühen und nach vielen Kämpfen mit der älteren Generation endlich auf den Estrich verfrachtet hatten, zu schaffen machen. Nun ja, das an sich wäre nichts Besonderes, denn auch wir haben hin und wieder in den alten Sachen unserer Vorväter herumgewühlt, allerdings haben wir uns dabei halb krank gelacht. Heute aber begegne ich manchmal sehr ernsthaften jungen Menschen, die dem, was sie in der Mottenkiste finden, gerne wieder einen Ehrenplatz einräumen möchten. “Sieh mal, wie edel, wie schön, wie gut”, sagen sie zueinander. “Warum nur war die Generation vor uns so kurzsichtig, das Zeug auf dem Estrich verschwinden zu lassen? Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass diese Sachen wieder ihren gebührenden Platz bekommen.”
Ich kann sie ja verstehen, die jungen Menschen. Auf den ersten Blick sehen die Dinge, die wir ihrer Meinung nach achtlos entsorgt haben, wirklich beeindruckend aus und in einer Welt, in der man manchmal nicht mehr weiss, was man denken soll, weil alles drunter und drüber geht, verleihen sie einem ein Gefühl der Sicherheit. Dass diese Sicherheit, die heute so verlockend aussieht, für uns einher ging mit einer bedrückenden Enge, mit verurteilender Härte, mit zerstörerischer Angstmacherei, können sie nicht wissen, solange sie uns nicht fragen, warum wir uns von diesen Dingen getrennt haben, ja, haben trennen müssen, um halbwegs frei durchs Leben gehen zu können. Sie haben keinen Schimmer, was es in einigen von uns auslöst, wenn wir uns plötzlich wieder mit Gespenstern einer Vergangenheit konfrontiert sehen, die wir so gerne hinter uns lassen möchten.
In ihren Augen sind wir die Engstirnigen, die nicht gesehen haben, wie wertvoll das alles war, denn für sie ist es neu und aufregend. In unseren Augen sind sie die Unvorsichtigen, die nicht wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie die Büchse der Pandora öffnen.
Ich muss mir wohl eingestehen, dass die Sache zwischen den Generationen nicht ganz so einfach ist, wie ich mir das früher jeweils vorgestellt habe. Zumindest dann nicht, wenn manche Jugendliche konservativer sind als wir.