Bist Du als ESELSKIND nicht auch schuldig geworden?

Von Wernerbremen


Ihr Lieben,
gestern bekam ich von einer sehr liebenESELSKIND-Blog-Leserin eine sehr nachdenkliche E-Mail zu dem Buch DASESELSKIND.
Auf drei Punkte aus dieser E-Mail möchte ich hier eingehen:

Erstens:
In dem Buch DAS ESELSKIND berichte ich von dem Klassenkameraden Johannes, dersich im Kleiderschrank seiner Eltern erhängt hat, und die Leserin fragt nun,ob ich an diesem Klassenkameraden nicht schuldig geworden bin, ob ich ihm nichtmehr hätte helfen müssen.
Das ist eine sehr berechtigte Frage, die ich nur mit einemklaren JA beantworten kann.
Ich war mit dem Johannes gut befreundet. Wenn ich wie mein FreundHans-Christoph die Möglichkeit gehabt hätte, Johannes regelmäßig zu mir nachHause einzuladen, hätte ich ihm sicher mehr helfen können.
Aber das mindertnicht mehr Schuld. Ich habe sicher große Schuld auf mich geladen, weil ichnicht mehr für ihn getan habe. 

Für mich ist es wichtig, zu dieser Schuld zu stehen und ganz klar zu sagen:
Ichbin an seinem Tod mitschuldig, ich hätte ihm mehr helfen müssen gegen seinenVater. Dabei ist es unwichtig, ob ich ihm tatsächlich hätte helfen können.
Entscheidend aber ist für mich, aus dieser Schuld die richtigen Konsequenzen zuziehen und HEUTE mit dafür zu sorgen, dass Kindern und Jugendlichen nicht mehrso etwas passiert, wie mir und Johannes.
Schuld ist dann etwas Negatives, wenn ich rückwärtsgewandt,
nur traurig übermeine Schuld bin.
Schuld ist aber etwas Positives, wenn ich die richtigen Lehren daraus ziehe undhelfe, dass anderen jungen Menschen ein solches Schicksal erspart bleibt.
 
Zweitens:
Die liebe Leserin hat nach meinem heutigen Verhältnis zu meiner Mutter undmeinen beiden Schwestern gefragt.

Hier war und ist mir vor allem das wichtig, was ich schondes Öfteren über die Versöhnung geschrieben habe: 

Meine Mutter ist seit 11Jahren tot und es war mir ganz wichtig, mich in den letzten Jahren ihres Lebensmit ihr auszusöhnen. Und als sie starb, stand nichts mehr zwischen uns. DasGleiche gilt für meine beiden Schwestern.
Als meine Mutter auf dem Sterbebett lag und friedlicheinschlief, da wusste ich:
Die Sache, die so böse begonnen hatte, haben wirbeide (!) zu einem guten, einem versöhnlichen Ende gebracht!

Drittens:
Es wurde mir von der lieben Leserin in der E-Mail die Frage gestellt, wie viel Demütigung ein Menschaushalten kann, bis er explodiert.

Wenn man das Buch DAS ESELSKIND liest, dann könnte mananschließend der irrigen Meinung sein, ich sei praktisch täglich geschlagen,gedemütigt und gequält worden. Dieser Eindruck kommt durch die zahlreichenBegebenheiten zustande, die ich erzählt habe.
Aber schon in dem Buch habe ich darauf hingewiesen, dass ich sowohl zuhause alsauch in der Schule oft tagelang, wochenlang, ja manchmal sogar monatelang inRuhe gelassen wurde.
Beruhigend war das allerdings nicht, weil ich niemals wusste, wann es wieder zueinem Ausbrauch der Gewalt kommen wurde. 
Und selbst dann, wenn zwei MonatePause geherrscht hatten, konnte ich nicht davor sicher sein, plötzlich innerhalb vonwenigen Tagen mehrfach das Opfer zu sein.Aber zurück zur Frage, was man aushalten kann:
Ich möchte dabei mehrere Begebenheiten unterscheiden.
Merkwürdigerweise hat es mir am wenigsten ausgemacht, wenn meine Schulkameradenmich in der Schule in den Fahrradkeller schleppten und mir dort mit einemdünnen Stock den Po versohlten, obwohl ich riesige Angst vor Schlägen hatte.

Viel schlimmer fand ich es, wenn sie austesten wollten, wasich aushalten konnte und mir z.B. Stecknadeln unter die Fuß- und Fingernägelrammten, sodass ich mehrfach ohnmächtig wurde.

Am allerschlimmsten aber fand ich es, wenn meineKlassenkameraden mich z.B. im Sommer an einen Badesee schleppten, mich dortnackt auszogenund mich so fesselten,dass ich stundenlang den Blicken aller anwesenden Kinder und Jugendlichenausgesetzt war. 
In solchen Situationen wurde mir körperlich nicht weh getan, aber das waren die Situationen, in denen meine Seele starb.
Ich wünsche Euch einen ruhigen Sonntagnachmittag und grüßeEuch herzlich
Euer fröhliches ESELSKIND Werner