Bin ich Elite?

Von Nadine M Helmer
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Ein Gespenst geht um bei uns Kitamuttis. In jedem Spielplatzgespräch poppt es auf, an Elternabenden ist es Thema: Schule.

Jetzt ist ja an sich noch ziemlich viel Zeit, das Rübchen startet ja erst 2017. Andererseits muss man sich ja ein Jahr vorher schon anmelden, da regt sich natürlich jetzt schon Interesse und zugegebenermaßen auch ein bisschen Argwohn.

Bisher geht sie hier in der Nähe in eine kleine Kita mit nur einer Gruppe von 26 Kindern, betreut und liebevoll begleitet von fünf Erziehern.

Alle Kinder sind nett und die Erzieher bescheinigen ihnen auch, dass sie ziemlich lieb und umgänglich sind. Keine "Problemkinder", kein Hauen und Stechen.

Alle Eltern sind nett. Keiner ist überkandidelt im Sinne von übertrieben ökologischer Gesinnung, keine Ernährungsdogmatiker, keiner, der seine Kinder schlecht behandelt. Ein guter Mittelstandstraum.

Obwohl - sind wir Mittelstand oder schon Elite? Unsere Kita mit herausragendem Betreuungsschlüssel, zwei externen Pädagogen für Musik und Sport und einer eigenen Köchin für das Mittagessen kosten uns Eltern 200 Euro monatlich obendrauf. Ist das elitär, weil es teuer ist und Kinder weniger gut gestellter Eltern qua Beitrag ausschließt?

Eigentlich mag ich das nicht. Ich will, dass mein Kind in einer heterogenen Umgebung aufwächst, sieht, wie verschieden Menschen sind und doch alle gleich. Es soll keinen Unterschied in seiner Betrachtung machen, ob ein anderes Kind arm ist oder reich, wo es herkommt, was es glaubt, denkt oder besitzt. Vielleicht nährt sich meine Vorstellung auch durch meine Grundschulzeit auf dem hessischen Dorf. Alle Kinder, unterschiedslos, gingen dort hin. Auch wenn wir heute in einer irgendwie hippen Gegend wohnen, soll sie nicht in dieser "Hipster-Blase" groß werden, ohne Armut, ohne alte Leute. Aber wie?

Ich lese tagtäglich die große Regionalzeitung. Ich lese von Gewalt auf den Schulhöfen, Drogen und Mobbing. Ich lese von unbenutzbaren Sporthallen, Fenster, die komplett aus der Verankerung fallen, undichten Dächern, einsturzgefährdeten Schulgebäuden und Kindern, die vermeiden, auf die Toiletten zu gehen wegen deren Zustand. Investitionsstau nennt man das in hübsch. Als Eltern ist man da wohl irgendwie hilflos, das Kind muss schließlich in eine Schule gehen. 

Ich möchte nicht sagen, dass alle staatlichen Schulen schlecht sind. Mit Sicherheit gibt es dort engagierte Lehrer, tolle Kinder. Aber ich hasse diese Stadt dafür, dass etwas so essentiell wichtiges so vernachlässigt. Ich hasse diese Stadt dafür, was sie den Kindern tagtäglich aufzwingt. Ich hasse die Stadt dafür, dass sie ein Bildungsethos vortäuscht - und Schüler und Eltern enttäuscht.

Ich weiß auch, dass es nicht nur den Kindern so geht. An allen Ecken und Enden ächzen die, die auf eine Finanzierung durch den Senat angewiesen sind. 

Aber dann werde ich ziemlich egoistisch. Laut Einzugsbereich müsste mein Kind in eine Grundschule, die als Brennpunktschule gilt (nun, immerhin hat sie einen Notrufknopf für Amokläufe und sie kriegt jetzt einen Zuschuss zur Sanierung der Klos). Ich will aber für mein Kind, dass es in einer intakten Umgebung lernen kann, in beheizbaren Räumen mit funktionierender Infrastruktur. Ist das dann elitär, wenn ich sage, okay, dann zahlen wir eben eine Privatschule? 

Liest man Zeitungsberichte über Eltern die gegen ihre Schulzuweisung klagen, bekommen diese immer gleich den Stempel aufgedrückt: arrogant, elitär, rassistisch, egoistisch. Liebe Journalisten: ist es euch denn wirklich egal, wo und wie eure Kinder lernen? Ich glaube euch kein Wort.

Alles, was ich mir für die Schullaufbahn des Rübchens wünsche, ist ein gutes Lernumfeld. Ich brauche keinen Schnickschnack. Mathe, Deutsch, Englisch, das übliche, Freunde, eine nette Klasse und Lehrer, denen ihr Beruf Spaß macht. 

Wenn fehlende staatliche Gelder all das zunichte machen, sorry, dann muss sich niemand wundern, und es muss sich niemand abfällig äußern.

Trotzdem mache mir viele Gedanken über die Kinder, die keine Wahl haben. Dass sie weniger Chancen haben. Dass eine marode Schule nicht gerade einlädt, über sich hinauszuwachsen oder sich als Schüler und Lehrer wertgeschätzt fühlen. Dass Bildung, der vielbemühte "Schlüssel" zur Welt, zur Eigenständigkeit, zu Potential, Kreativität und letztendlich Produktivität der Stadt nicht viel wert ist. Dass man lieber Stunden streicht und Klassen in Baucontainern unterrichtet.

Wir sollten uns als Berliner fragen, was uns persönlich Bildung wert ist, nicht nur die der eigenen Kinder, sondern auch derer, die mit den unseren diese Stadt teilen. Manchmal frage ich mich, ob alle Eltern nach Einkommen gestaffelt in einen großen Schultopf zahlen sollten, on top sozusagen auf die Senatsfinanzierung. Wir hätten dann vielleicht mehr Mitspracherecht. Und wir als Berliner könnten uns finanziell gegenseitig die Hand reichen. Ist nur so eine Idee. 

Bitte helft der Arche!