Bilderbuch – Schick Schock

Das schöne an Bilderbuchs drittem Studioalbum ist, dass man nach dem ersten Hören nicht weiß, was man darüber sagen soll.

Sprachlos, im positivsten Sinne und ein bisschen perplex. Ja, übertreiben ist legitim, passend zum Album selbst. Schick Schock ist für alle, die vom ewig gleichen Indie-Einheitsbrei gelangweilt sind, die mit monotonem Elektro-Hipstertum nichts anfangen können und denen der Mainstream-Pop immer schon zu seicht war, Schick Schock ist mitreißend, geht vom Ohr direkt ins Tanzbein, macht gute Laune und ist unfassbar clever und einzigartig. Musik-Genre? Bilderbuch.

Dass sich das neue Album vom Vorgänger Die Pest im Piemont klar unterscheidet, dürfte jetzt keine große Überraschung sein, die EP Feinste Seide hat den neuen Stil bereits versprochen, das Album hält noch mehr. Die musikalischen Einflüsse haben sich umorientiert, von unscheinbarem Eh-Lieb-Indie-Rock (die Vorbilder, nicht Bilderbuch, versteht sich) zu Ich-scheiss-mir-nix Protz-Pop meets Kanye West, Falco und Miami Vice. Das klingt erstmal alles sehr wirr in Theorie und auf Platte, aber es funktioniert. Es funktioniert, wie lange nichts mehr davor und wahrscheinlich auch danach.

Bilderbuch machen jetzt weder Hip Hop noch Austropop oder rollen alte Prince-Hits neu auf, aber die Einflüsse all dessen, in Stil und Sound sind deutlich erkennbar und verschmelzen so zu einem ganz eigenen Genre-Konglomerat. Wer Feinste Seide (Song und EP) mochte, wird an Schick Schock nichts außer Freude haben. In die Reihe der Uptempo-Ohrwürmer Plansch und Maschin sowie der letzten Single Om reihen sich Nummern wie Schick Schock und das fast schon laszive Softdrink mühelos ein.

Der Longplayer ist ebenso aufregend, wie aufgeregt. Die 12 schicken Songs übertreffen sich gegenseitig in den Kategorien Groove, Tanzbarkeit, Text und noch mehr Bilderbuch sein, kein Stimmungsabfall, Langweile oder Song zum überspringen zwischendurch. Ein exzentrisches Meisterwerk, so wie die Band selbst. Denn nicht nur ihre Musik hat einen Wandel durchgemacht, auch das Quartett rund um Sänger und Frontmann Maurice Ernst hebt sich optisch eindeutig von allem ab, was die heimische Musikwelt derzeit sonst so unsicher macht. Retro-Trash von Flohmarkt bis Opas Kleiderschrank, 80er Traininginsanzug zu Wasserstoffblonder Matte und Bling bling.

Post by Bilderbuch.

Das ist freilich beim Anhören von Schick Schock relativ unwichtig und der Style einer Band nicht unbedingt maßgeblich für den Sound. Aber wir reden auch von Bilderbuch, das versteht sich hier als Gesamtkonzept, als gelebter Protz mir Augenzwinkern, aufmüpfig, goscherte Attitüde mit Ironie vom Flinserl bis zum Falsett, vom Softdrink in der Hand bis zur feinsten Seide auf der Haut. Muss nicht, kann aber. Und das ganze mit Herz und Seele gelebte Theater rund um die Musik wertet all die anderen österreichischen Bands, die gerade ganz oben mitmischen freilich nicht ab, aber Bilderbuch als Enfants Terribles der new Schickeria doch sehr auf. Den ganz vorn mitmischen ist eine Sache, sich eine eigene Nische suchen ebenfalls. Sich aber mit Mitte zwanzig einfach selbst ein Genre aus dem Boden zu stampfen, entgegen aller Widerstände hohe Kunst… und sexy.

Bilderbuch – Schick Schock, Maschin / Virgin / Universal, www.bilderbuch-musik.at


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