Bilderbuch live im Wiener Brut

Erstellt am 2. Februar 2014 von Pressplay Magazin @pressplayAT
Konzerte

Veröffentlicht am 2. Februar 2014 | von Lisa Schneider

0

Bilderbuch live im Wiener Brut

Lalalalalala lass mich nicht los… dass es ein denkwürdiger Abend im Wiener Brut werden wird, war spätestens dann klar, als sich herausstellte, man muss auch mit schon brav im Vorverkauf gelöstem Ticket noch anstehen und wird immer nur in Vierergrüppchen in die Szene des Geschehens durchgelotst.

Der Andrang war groß, das Konzert von Bilderbuch – das erste Mal in Wien, wie auch Sänger Maurice Ernst stolz erwähnen sollte – zum ersten Mal ausverkauft. Ohne Vorband, die Menge nur durch einen vollbärtigen DJ aufgeheizt, betritt gegen 22.00 die vierköpfige Band aus Oberösterreich, seit 2008 in Wien wohnend, die Bühne. Das geht ruck-zuck und schon ist es wahnsinnig laut, schräg und schrill. Das Auge muss sich erst einmal an das gewöhnen, was da kommt: Das wohl geschmackloseste Hemd der österreichischen Indierock-Geschichte, kombiniert mit einer schwarzen, schlabbrigen Jogginghose und ausgewachsenen, blondierten Haaren, sodass man schmunzelnd an den jungen George Michael in den modisch erschreckenden 80er Jahren erinnert wird.

Die Rede ist vom schon erwähnten Sänger von Bilderbuch, Maurice Ernst, der sprichwörtlich für die Bühne geboren wurde. In seiner Person mischen sich gespielter Pathos, schrille Gestik und die Exzentrik der ganz großen Stars im Business. Man wird unbewusst sofort an österreichische Ausnahmetalente wie Falco denken müssen, wenn auch Maurice Ernst in betont nasaler Sprache, im Jargon der im österreichischen Kabarett besonders beliebten k&k Monarchie, zum immer wieder kreischenden Publikum spricht. Es wird beinahe mehr auf das Zwischenspiel nach den einzelnen Tracks gewartet als auf die Stücke selbst – weil dieser schillernde und doch abgeschmackte Sänger einen ganz besonderen Charme versprüht. Mit dieser  Pose, die er einnimmt, hält er aber die notwendige Distanz, die ihn zur wahrhaften Kunstfigur macht: Und das ist es wohl auch, was Bilderbuch von vielen anderen deutschsprachigen Bands unterscheidet.

Da gibt es keine direkte Verbrüderung mit dem Publikum, es kommt kein Gefühl davon auf, dass das ja „nur“ eine Band aus dem oberösterreichischen Ländle ist; diese Band weiß es, sich zu inszenieren, wie es auch alle anderen großen Bands tun würden, der ausgeflippte Frontmann ganz vorne im Überzeugungszirkus. Um aber dem Publikum schon das Gefühl zu geben, man schätzt es sehr und ist überaus erfreut über die ausverkaufte Halle, hat man sich etwas ausgedacht: Den Gag, ihren Superhit des Jahres 2013 während einer Show gleich zweimal zu spielen, kennt man ja schon. Nun setzten Bilderbuch gestern erneut auf gleiches Erfolgskonzept und haben damit absolut alles richtig gemacht. Nach den ersten Stücken verkündet Maurice, er habe jetzt schon einmal ein „Gustostückerl“ für die unruhige Meute parat, kurz überlegt er noch, Plansch oder Maschin – schließlich geht’s aber schon los mit den Gitarrenriffs und das Publikum schreit sich ein: Steig jetzt in mein Auto, steig jetzt in mein Auto ein…

Der jetzt besonders hervorgestrichene Frontman der Band hat sich also entsprechend im Rampenlicht gesonnt, aber auch seine Kollegen nicht zu kurz kommen lassen: Immer wieder darf Gitarrist Michael Krammer zeigen, was er kann. Auch dieser junge Herr lohnt des genauen Hinsehens, kaum hat man jemanden erlebt, der ein schöneres Tänzchen mit seiner Gitarre hinlegt, so schmiegt er seine schmalen Hüften immer wieder an und um sein Instrument herum. Die lasziven Bewegungen unterstreichen die gekonnte Selbstinszenierung dieser außergewöhnlichen Musik, die sich weder dem Punkrock, noch dem Progressive oder Indierock absolut zuordnen lassen würde. Die Sexyness ist wichtig und werde in der österreichischen Musik zu sehr vernachlässigt, beklagte sich Sänger Maurice einmal in einem Interview – dass sie dagegen ankämpfen, wurde gestern mehrmals bewiesen, wenn auch auf sehr wagemutige Art und Weise, bei der oft wackelnd auf dem Grat zwischen sexy und schmierig gewandert wurde.

Bei der Frage Willst du meine Frau werden? kann dann auch das Publikum nicht mehr an sich halten und schreit munter und problemlos den auswendig abgespeicherten Text drauf los. Darin gipfelt dann wohl die Kunst dieser wirklich außergewöhnlich talentierten Band: Auf der Straße wohl aufgrund seines obskuren Auftretens verlacht, auf der Bühne in alle erdenklichen Höhen positioniert genießt Maurice Ernst seinen Platz als neuer, skurriler Rockgott im Indiegeschehen der österreichischen Musikszene.

Tags:BilderbuchBrut WienKonzerte


Über den Autor

Lisa Schneider Aufgabenbereich selbst definiert als: Groupie, nichtsdestotrotz. Findet „Schrecklich amüsant aber in Zukunft ohne mich“ (David Foster Wallace) immer wieder treffend.