Wie an jenem 7. Oktober 1989. Als jedem klar denkenden Menschen längst bewusst gewesen sein muss, dass da irgendetwas schief läuft. Da ging es nicht mehr nur um einen kratzenden Pulli. Da ging es um Entscheidungen. Sie oder Du, andere oder ich? Prag oder Ungarn? Demo oder Ducken? Abhauen oder Dableiben? Honecker oder Gorbi? Begreifen oder Akzeptieren? Etwas tun oder nicht? Hinterm Fenster stehen und zusehen was passiert? Oder dabei sein, wenn es endlich um mehr als die Planerfüllung geht. Das haben viele begriffen. Damals. Andere nicht. „Ich bin für den Staat, und ich gehe mit der FDJ auf die Straße, auch weil ich gegen die Art bin, mit der bei uns in Leipzig an den vergangenen Montagen Leute durch die Straßen gezogen sind“, schrieb Evelyn Rieger aus Leipzig in der JW. Sie war damals 20. Könnte man als Entschuldigung gelten lassen.
Der Zukunft zugewandt, hieß es auf Seite eins an diesem Tag über jenem Foto in Anspielung auf die Hymne des Landes. Es war der Tag, an dem der geschichtsträchtige Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ ausgesprochen worden ist. Und so wurden sie alle vom Leben bestraft. Und trauerten weiter der Vergangenheit hinterher. So wie heute noch. Daran hat sich nichts geändert.