Die Walker’s Haute Route
Etappen 9 bis 11
Auf Empfehlung eines englischen Bergführers, haben wir beschlossen die 9. und 10. Etappe zusammenzulegen. So können wir einerseits weiter mit unseren Australischen Freunden wandern, die früher in Zermatt ankommen müssen und zum anderen haben wir nach hinten mehr Puffer für den anspruchsvollen Europa-Weg.
Ein neuer wundervoller Tag auf der Walker’s Haute Route kann beginnen!
Nach einer unruhigen Nacht, werden wir von unseren Hüttennachbarn geweckt. In den alten Holzhäusern ist es beinahe unmöglich sich leise zu verhalten. Alles quietscht, knarzt, bollert, rattert, scheppert, rumpelt und poltert.
Um Punkt 7. 15 Uhr stehen wir bei strahlendem Sonnenschein auf dem Pfad. Es geht mal wieder Berg auf! Und das ziemlich lange. Die Stimmung ist optimal und auf dem Weg zum Gipfel sichten wir einige Murmeltiere.
“Nicht schon wieder einen verdammten Berg hoch?!”
“Doch!”Um halb zehn erreichen wir den ersten Pass des Tages, den Col du Torrent (2919 m). Bei bester Aussicht genehmigen wir uns ein zweites Frühstück.
Nach und nach erscheinen die üblichen Verdächtigen. Und wieder ein Australisch-Deutsches Gipfeltreffen. Wo könnte man schöner frühstücken?
Der Weg in Tal. Wir spazieren vorbei an einem kleinen Bergsee und stehen schon bald vor dem milchig türkisfarbenen Stausee von Moiry. Davor hat sich eine glockentragende Rinderherde breit gemacht. Drei Monate lang werden die Tiere im Sommer von Hirten über die sattgrünen Wiesen getrieben. Diese Rinder haben sich die besten Plätze mit Blick auf den Gletscher von Moiry gesichert. Das Ende der 9. Etappe am Chalet du Barrage ist für uns gleichzeitig der Start zur zweiten Etappe des Tages.
Hier macht mein Weggefährte einen fatalen taktischen Fehler indem er sich vor dem Aufstieg zum Col De Sorbois ein Feldschlösschen genehmigt.
Der Anstieg stellt sich nämlich als weitaus länger und anstrengender herausals erwartet .
Erst das Bier und dann auch noch wilde Stiere auf dem Weg.
Während wir uns mühsam einen Weg durch einen Berg aus Kuhscheiße bahnen, lauern an jeder Ecke die Rindviecher.
Der Aufstieg ist normalerweise nicht meine Paradedisziplin aber heute bin ich “on fire”. Wie in Trance kämpfe ich mich an die Spitze der Wanderer. Der Körper arbeitet auf Hochtouren und ich fühle mich wie bei einer Bergetappe der Tour de France.
In zweiter Position erreiche ich schließlich den Pass, wo wir erst mal eine lange Pause einlegen.
Jetzt steht “nur” noch der unbeliebte und endlose Abstieg auf dem Programm. Auf halber Strecke fängt es an zu Regnen. Wir verkürzen uns die Zeit mit dem Spiel “Wer bin ich”.
Ein Schäferhund treibt die Kühe zu einer mobilen Melkstation.
Als wir schließlich den Ski-Ort Zinal erreichen ist das Matrazenlager schon belegt und wir müssen uns ein Mini-Zimmer im Hotel Trift nehmen.
Nach dem Abendessen mit den Australiern legen wir uns erstmalig in weiche Betten und schlafen wie auf Wolke 7.
Nach der langen Tour, schlafen wir aus und starten vor der Dorfkirche zur 11. Etappe nach Gruben. Der gestrige Tag hatte es in sich und morgen soll es auf 3200 Meter gehen. Für Heute habe ich mir deshalb vorgenommen so energieeffizient wie möglich zu wandern.
Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Etappe startet steil. sehr steil. Und weil wir ausnahmsweise etwas später dran sind, brennt die Sonne schon unerbittlich.
Das erste Mal seit unserem Start in Chamonix, fällt es mir schwer den Aufstieg zu genießen. Auf diesem Foto nicht zu sehen aber auch unsere Australischen Wegbegleiter zeigen erste Ermüdungserscheinungen. Doch außer weiterlaufen bleibt uns sowieso nichts übrig.
Und so stehen wir schon bald auf dem Forcletta (2874 m). Der Pass bildet auch den Übergang von der französischen in die deutsche Schweiz. Das macht sich vor allem dadurch bemerkbar, dass man beim Aufstieg “Bonjour” und beim Abstieg “Gruezi” sagt.
Hier habe ich mal meinen Black Diamond Axis 33 in Szene gesetzt. Ein super komfortabler Rucksack. Absolut empfehlenswert für die Route (obwohl es eigentlich ein Alpin-Rucksack ist).
Die Abfahrt des Tages brausen wir im bewährten Wanderschuh-Ski Stil hinunter. Etwas weiter stoßen wir mal wieder auf die “Swedish Girls”, die ziemlich erschöpft am Wegesrand hocken. Im ersten echten Gespräch seit unserem Start, stellt sich heraus, dass es gar keine Schwedinnen sondern Norwegische Rugby-Spielerinnen sind! Eine von Ihnen hat eine gebrochene Hand und beide sind erkältet.
Sie werden die Route verkürzen und freuen sich auf eine baldige Rückreise.
Bei unserem Versuch den Abstieg durch einen Waldweg zu verkürzen, verlaufen wir uns kolossal. Durch dichtes Gebüsch und Unterholz kämpfen wir uns eine halbe Stunde am Hang entlang, überqueren todesmutig einen reißenden Steilbach nur um wenig später der Realität ins Auge sehen zu müssen. Die Umkehr ist unausweislich.
Aus Faulheit absolvieren wir das letzte Stück ins Tal im “Trailrunning-Stil”. Schlecht für die Knie aber wir haben keine Lust mehr auf den Abstieg.
So viel zu meinem selbstproklamierten “Rest day”.
So gemütlich liegt man im Matrazenlager vom Hotel Schwarzhorn beieinander. Mein Problem war allerdings nicht die Nähe sondern der widerliche Parfum-Geruch, den meine Matraze abgesondert hat.
Beim Abendessen kommen wie so oft die Haute-Route Allstars zusammen. Aussis, Japanese guy und wir.
Vegetarier haben auf der Tour übrigens nichts zu lachen. Während die karnivoren Wanderer ihre saftigen Schnitzel vertilgen, besteht die fleischlose Option aus einem tristen Veggie-Paddie, der in der Regel mit einer großen Portion staubtrockenen Reis serviert wird.
Als wir schließlich geduscht in unsere Betten fallen, bricht ein krachendes Gewitter los. Ich bin total K.O.
Von meinem Restday ist nicht viel übrig geblieben und morgen früh wollen wir die 3000 Meter Grenze brechen.
Jetzt sind wir schon 11 Tage unterwegs und es bleibt weiter spannend!