Wer den Wildbienen etwas Gutes tun wolle, müsse das schon richtig machen, las ich neulich. Die hohlen Pflanzenstängel dürften auf gar keinen Fall einen zu grossen Durchmesser aufweisen, die Nisthilfe müsse unbedingt eine Rückwand haben und sei an einer Stelle anzubringen, die schon am frühen Morgen von der Sonne beschienen werde. Selbstverständlich müsse es sich bei dem Zuhause für die Bienen um ein fachmännisch hergestelltes Qualitätsprodukt handeln, denn der ganze Kram, der in den Läden erhältlich sei, könnte man ebenso gut als Feuerholz verwenden. Man solle sich aber bloss nicht einbilden, man leiste mit einer solchen Nisthilfe einen Beitrag zu einem funktionierenden Ökosystem, die Bienen würden sich ja ohnehin nicht in den heimischen Garten verirren.
„Mal wieder alles falsch gemacht“, brumme ich und starre auf die billige Nisthilfe, die wir mal von irgend jemandem geschenkt bekommen haben, ein kleines Ding ohne Rückwand, das voller Pflanzenstängel mit zweifelhaftem Durchmesser ist. Natürlich steht es nicht dort, wo die Morgensonne hinscheint, sondern dort, wo sich frühestens am späten Nachmittag die ersten Sonnenstrahlen zeigen.
Nachdem ich fertig gelesen habe, sitze ich lange am Küchentisch und starre versonnen auf die Wildbienen, die nun schon seit dem ersten Sonnenstrahl – von dem sie gar nichts mitbekommen haben, weil ihr rückwandloses Zuhause auf der falschen Seite des Hauses steht – emsig zwischen ihren hohlen Pflanzenstängeln und den Nektarpflanzen hin und her fliegen.
Mir scheint, die Tierchen, die seit letztem Frühling freiwillig auf unserem Balkon leben, haben keinen blassen Schimmer davon, was sich für eine anständige Wildbiene gehört. Ob ich denen mal erklären muss, dass die Fachleute gar keine Freude haben an ihrem Lebensstil?