Zu den Autoren:
Claus-Ulrich Bielefeld studierte Germanisik, Soziologie und Philosophie und promovierte 1976 an der FU Berlin. Er arbeitet heute hauptberuflich als Literaturredakteur beim Rundfunk Berlin-Brandenburg und arbeitet als Literaturkritiker für diverse Zeitungen. Genauso wie der Charakter Thomas Bernhardt lebt er in Berlin.
Petra Hartlieb stammt aus Österreich und studierte Psychologie und Geschichte in Wien. Nach dem Studium arbeitete sie als Pressefrau bei verschiedenen Verlagen und als Literaturkritikerin. Seit 2001 leitet sie mit ihrem Mann die Buchhandlung “Hartliebs Bücher” in Wien.
Bielefeld & Hartlieb bei Diogenes
Wer inspiriert Sie beim Schreiben?
Bielefeld: Bei mir ist das ganz einfach zu beantworten. Ich habe immer die Bücher von Georges Simenon gelesen, also einerseits die Maigret-Krimis und andererseits die sogenannten Non-Maigrets, also die harten Romane, wie Simenon das selbst gesagt hat. Bei Simenon hat mir immer so gut gefallen, dass er das Atmosphärische so gut darstellt und, dass man sofort gewusst hat „das ist Paris, das ist dieses Viertel in Paris“, dass er eine Straße unglaublich gut beschreiben konnte und eben in seiner Beschreibung auch sehr reduziert hat, und ungeheuer intensiv in seinen Beschreibungen war.
Hartlieb: Und bei mir ist es so, dass ich als Buchhändlerin quasi viel mehr querbeet lesen muss, ich muss ja alles lesen, denn in der Buchhandlung haben wir ja praktisch alles und die Kunden wollen für alles beraten werden – sprich ich lese von Unterhaltung bis Literatur hin über Krimis und Kinder- und Jugendbuch. Bei den Krimis ist es mir total wichtig, dass die Sprache gut ist, ich kann keinen Krimi lesen, auch wenn er noch so gut ist, wenn die Sprache schlecht ist und wenn ich das Gefühl habe das wurde einfach so hingeschrieben. Deshalb ist das bei uns der Anspruch, dass die Sprache so ist, dass der Leser denkt „okay, da hat sich jemand was überlegt und darüber nachgedacht wie er was formuliert“. Ich brauche in einem Buch immer so ein bis zwei Personen, die ich mag bzw. die mir nicht einfach egal sein dürfen, mit den zwei Figuren aus unserem Buch haben wir also zwei Personen geschaffen die ich mag und die mir am Herzen liegen, deren Entwicklung ich gerne verfolge.
Bielefeld: Man muss aber vielleicht noch hinzufügen, dass wir mehr für ein bestimmtes Genre schreiben, das ist ja ein Krimi und natürlich ist mein literarisches Interesse dann noch viel weiter gefächert – die großen Autoren der Moderne finde ich wirklich wichtig und interessant: Joyce, Musil, aber auch Autoren des 19. Jahrhunderts wie Tolstoi oder Dostojewskij. Aber wie gesagt schreiben wir für ein ganz bestimmtes Genre und da haben wir Vorbilder.
Es ist ja für Autoren eher schwer einen Verlag zu finden. Wie sind Sie zum Schweizer Verlag Diogenes gekommen?
Hartlieb: Da muss ich ein wenig ausholen. Da wir beide ja sehr lange in der Literaturszene sind, wissen wir natürlich auch wie schwer es ist einen Verlag zu finden, und haben das Manuskript erst an Verlage geschickt wo wir jemanden kennen, nicht mit der Hoffnung direkt genommen zu werden, sondern mit dem Gewissen, dass sich das jemand anschaut. Da waren natürlich nicht alle interessiert, und niemand ist irgendwie dazu gekommen uns einen Vertrag anzubieten. Alle meinten „ja, das ist toll, aber das muss erst mal der richtige Lektor bekommen“. Irgendwann hat dann der Herr Bielefeld zu mir gesagt „hast du es denn eigentlich auch an Diogenes geschickt?“ und ich meinte dann, dass das überhaupt keinen Sinn macht, da ich dort niemanden kenne. Und er meinte dann „ja komm, schick es doch dahin, ist doch egal, die Briefmarke können wir uns auch noch leisten“, und dann war es genau der Verlag, der das aus der Post gefischt hat und gesagt hat „okay, wir machen das“.
Bielefeld: Man muss sagen, dass Diogenes einfach unser Traumverlag war und jeder der sich im Literaturbetrieb auskennt weiß, dass unverlangt eingesandte Manuskripte eigentlich kaum eine Chance haben, weil es einfach zu viele sind. Der knapp vor einem Jahr verstorbene Verleger von Diogenes, Kehl, der hat mal gesagt, dass von 9000 unverlangt eingesandten Manuskripten eines genommen wird, und wir waren dann eben eins von 9000.
Hartlieb: Das hängt aber dann ganz viel von Zufälligkeiten ab, also das ist jetzt nicht weil unser Buch das genialste von den 9000 ist, sondern man hat auch einfach wahnsinniges Glück. Man braucht die richtige Sachbearbeiterin, die hatte gerade ein tolles Frühstück, die hat den richtigen ersten Satz – da gehört einfach richtig viel Glück dazu, wie ein kleines Wunder.
Bielefeld: Ja, Glück gehört dazu, aber man muss sagen, dass sich Diogenes auch sehr intensiv um unverlangt eingesandte Manuskripte kümmert. Man muss ja verschiedene Stadien durchlaufen, vom Vorlektorat zum Lektorat, und dann muss man tatsächlich auch erst ein Exposé von 30 Seiten einschicken – es ist also ein langer Weg bis man dann am hoffentlich glücklichen Ende angekommen ist.
Wie ist es so in der modernen Literatur, wenn man mit Büchern wie bspw. „Shades of Grey“ zu tun hat?
Bielefeld: Als Literaturkritiker muss man sich natürlich immer mehr mit der sogenannten „rohen Literatur“ befassen. „Shades of Grey“ würde man eher als etwas wie ein Zeitsymptom wahrnehmen, und sich überlegen warum dieses Buch, welches ja erst im Internet veröffentlicht worden ist, in diesem Moment so erfolgreich geworden ist, und wieso es diesen Erfolg hat, der dann ja durch den Skandal der damit gemacht wird gar nicht gedeckt ist. Das Buch ist ja glaube ich, ich habe es nicht gelesen, eher harmlos.
Am 8. Oktober wird ja der Deutsche Buchpreis 2012 verliehen. Wer ist Ihr Favorit?
Hartlieb: Stephan Thome.
Bielefeld: Ja, wahrscheinlich. Aber das weiß man nie, auch da gibt es ja so viele Überlegungen, denn da kommen ja auch wieder die Buchhändler ins Spiel – wenn ein Buch zu experimentell ist, hat’s eigentlich keine Chancen, denn das Buch soll ja bei den Buchhändlern erfolgreich sein – und da wird es wahrscheinlich Thome sein.
Hartlieb: Genau, weil man es auch lesen kann und wenn es zu schwierig ist regt sich der Buchhandel auf und sagt „ja, es ist zwar ein toller Texter, aber das kann man nicht im Weihnachtsgeschäft verkaufen“. Da hängen einfach wahnsinnig viele Aspekte zusammen.
Bielefeld: Aber es gibt ja auch noch Außenseiterchancen für Ursula Krechel oder Ulf Erdmann Ziegler, würde ich jetzt sagen.
Wie ist das eigentlich mit einer eigenen Buchhandlung in Zeiten von Thalia und Amazon?
Hartlieb: Wir haben in Wien eine relativ previlegierte Lage, wir sind in einem Stadtteil in Wien, in dem es keine andere Buchhandlung gibt und wo auch der Weg zum nächsten Thalia relativ weit ist. Wir leiten den Buchladen seit sieben Jahren und haben uns in dieser Zeit einen sehr guten Ruf erarbeitet. Wir machen auch wahnsinnig viel Beratung, diese ist jedoch unglaublich personalintensiv, sprich auch sehr kostenintensiv. Wir arbeiten mit einer 60m² Buchhandlung mit so viel Personal wie Thalia sie eine vierstöckige Filiale einsetzen würde, und bei uns kann es schon einmal passieren, dass sich ein Kunde fünf oder sechs Bücher erzählen lässt und kauft sich dann nur ein Taschenbuch – das ist auch okay, aber das ist auch etwas was einfach wahnsinnig viel Geld kostet. Die Frage ist einfach, wie lange man sich sowas leisten kann. Man weiß einfach nicht, ob es solche Buchhandlungen wie uns in fünf Jahren überhaupt noch gibt. Auch Amazon wird immer stärker und dagegen kann man einfach nicht ankämpfen, gegen die Werbemacht und diese Internethörigkeit der Leute kann man halt immer nur reden und reden. Ich gehe jetzt wirklich so weit, dass wenn ich in der Post anstehe und da steht jemand hinter mir mit einem Amazonpaket, dann frage ich und diskutiere mit dem, wieso er bei Amazon bestellt. Die Leute machen das eben auch aus Unwissenheit, und dann sage ich „okay, macht das, aber regt euch dann nicht auf wenn eure Städte dann zu Geisterstädten werden, weil es keine Läden mehr gibt“, es ist schwierig, aber wir bemühen uns.
Danke für das Interview.