BGH-Urteil: Kein Maulkorb für Kritiker!

Von Nicsbloghaus @_nbh

Der Berliner Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte hat die Bedeutung eines am 1. Juli 2014 vom Bundesgerichtshof (BGH) mit Sitz in Karlsruhe gefällten Urteils (AZ: VI ZR 345/13) zum Auskunftsanspruch gegen ein Internetportal bei anonymen Bewertungen analysiert. Schulte gab dazu lt. echtzeitpr.de folgendes Statement ab:

“Online-Kritiker dürfen aufatmen – das Recht auf freie Meinungsäußerung wird auch in Zukunft nicht beeinträchtigt werden. Die Forderung, dass ein anonymer Online-Kritiker seine Identität im Fall eines Interessenkonflikts preisgeben muss – und sich damit vielleicht gravierende persönliche Nachteile auflädt – ist abgeschmettert worden.”

Ein Sieg gegen die Zensur? Oder ein Freifahrtschein für Cybermobbing?

Auf jeden Fall ist die Entscheidung juristisch einleuchtend: Grundsätzlich haftet der Betreiber eines Bewertungsportals für Äußerungen auf seinem Portal nicht, es sei denn, er hat sich die Bewertungen redaktionell angeeignet und zeichnet für sie mit seinem Namen.

Eine generelle Pflicht, die von den Nutzern ins Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen – im Sinne von persönlichkeitsverletzenden Inhalten – zu prüfen, gibt es nicht.

Werden aber dem Portalbetreiber Inhalte als rechtswidrig gemeldet, so hat er diese Vorwürfe zu prüfen und den Eintrag notfalls zu löschen. Erst wenn gegen diese Pflicht verstoßen wird, haftet der Portalbetreiber auf Unterlassung. Einzig und allein in diesem Fall muss ein Portalbetreiber die Daten des entsprechenden Kritikers preisgeben.

Im aktuellen Fall hatte der Betreiber des Bewertungsportal die ehrverletzenden Bewertungen zwar sofort gelöscht, jedoch nicht durch einen Filter verhindert, dass inhaltsgleiche Posts erneut verfasst werden können. Ein derartiger Filter – und hier liegt der eigentliche Kern des neuen Urteils – sei dem Betreiber eines Bewertungsportals nicht zumutbar. Angesichts des Aufwandes für einen derartigen Filter und der Kosten hierfür ist dies grundsätzlich nachvollziehbar.

Das heiß konkret: Anonymes Bewerten und Kritisieren bleibt weiterhin möglich, solange der Portalbetreiber auf ‚Zuruf‘ ehrverletzende Äußerungen entfernt. Erst wenn hiergegen verstoßen wird, hat der Kritiker mit einer Offenbarung seiner Daten zu rechnen.

Anja Trebbin

[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]