Da ist der „Lindt-Goldhase“ nicht nur den Begehrlichkeiten der grossen und kleinen Schleckermäuler ausgesetzt, die ihm ans goldene Fell wollen, sondern auch noch Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen des u. a. für das Markenrecht zuständigen I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs – und das jetzt schon mehrmals, sozusagen „die Instanzen rauf und runter“..
Tatsächlich handelt es sich nämlich bei dem Langohr nicht nur um eine leckere Schokoladenfigur, sondern auch um eine „für Schokoladenwaren eingetragene dreidimensionale Marke“, die aus einem in Goldfolie eingewickelten sitzenden Schokoladenhasen mit rotem Halsband mit Schleife und Glöckchen sowie dem Aufdruck „Lindt GOLDHASE“ besteht.
Natürlich möchten auch andere Hersteller mit ähnlichen Produkten Geld verdienen, und so wandte sich der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli mit einer auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz gerichteten Klage gegen die Herstellung und den Vertrieb eines seiner Ansicht nach mit seiner Marke verwechselbaren Schokoladenhasen der Firma Riegelein an die Gerichte.
In einem ersten Revisionsverfahren hatte der Bundesgerichtshof im Oktober 2006 das die Klage abweisende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urt. v. 26.10.2006 – I ZR 37/04, BGHZ 169, 295 – Goldhase I; vgl. Presseerklärung Nr. 146/2006 v. 27.10.2006).
Im zweiten Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht wiederum eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Schokoladenhasen verneint, weil die sich gegenüberstehenden Gestaltungen seiner Ansicht nach nicht hinreichend ähnlich seien.
Der Bundesgerichtshof hat auch diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, und zwar aus den nachfolgenden, sich aus der Pressemitteilung des BGH ergebenden Gründen:
„In der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht war ein Exemplar des Riegelein-Hasen vorgelegt worden. Da es dem Oberlandesgericht auf die genaue Farbgebung ankam, die sich aus den bei den Akten befindlichen Fotografien nicht zuverlässig ergab, hatte die Klägerin ihren Antrag umgestellt und auf einen „Schokoladenhasen gemäß dem in der Sitzung … überreichten Exemplar“ bezogen. In seiner die Verwechslungsgefahr verneinenden Entscheidung hatte sich das Oberlandesgericht gerade auch auf die Farbe der Folie gestützt; der zu den Akten gereichte Riegelein-Hase zeichne sich durch eine eher bronzefarbene Folie aus, die sich deutlich von der leuchtenden Goldfolie des Lindt-Hasen unterscheide. Der Bundesgerichtshof sah sich nicht in der Lage, diese Beurteilung zu überprüfen. Denn der in der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht überreichte Riegelein-Hase befand sich nicht mehr bei den zum BGH gelangten Akten; auch eine Nachforschung beim Oberlandesgericht war erfolglos geblieben. Zwischen den Parteien bestand auch keine Einigkeit, ob ein im Revisionsverfahren vorgelegter Riegelein-Hase mit dem verlorengegangenen Hasen in der Farbgebung übereinstimmte.“
Der geneigte Leser wird sich die – nicht ganz abwegige – Frage stellen, in welchem Richtermagen denn das „Anschauungsobjekt“ jetzt zur „Kostprobe“ geworden ist…..
Allerdings wollte der BGH nun doch nicht ganz allein auf den Verlust des Vorzeigehasens abstellen: Das OLG habe nämlich den sich aus den einzelnen Bestandteilen (Form und Farbe der Hasen sowie den weiteren Gestaltungsmerkmalen wie rotes Bändchen mit Glöckchen, aufgemaltes Gesicht) zusammensetzenden Gesamteindruck der beiden Gestaltungen nicht zutreffend ermittelt. Insbesondere habe es die Ergebnisse einer Verkehrsbefragung nicht rechtsfehlerfrei berücksichtigt.
Die Verkehrsbefragung betraf einen nur in Goldfolie eingewickelten, mit keiner Schrift und keinen aufgemalten Gestaltungsmerkmalen versehenen sitzenden Lindt-Hasen. Auf die Frage nach der betrieblichen Herkunft hatte ein Großteil der Befragten Lindt & Sprüngli genannt. Das Berufungsgericht hatte daraus geschlossen, dass sich die gesteigerte Kennzeichnungskraft des Lindt-Hasen auch aus Form und Farbe herleitet. Vor diesem Hintergrund hat der BGH beanstandet, dass das Oberlandesgericht seine Auffassung nicht hinreichend begründet hat, dass den sonstigen, sich bei den beiden Hasen unterscheidenden Gestaltungsmerkmalen eine maßgebliche Bedeutung zukommt.
Urteil vom 15. Juli 2010 – I ZR 57/08
OLG Frankfurt am Main – Urteil v. 8. November 2007 – 6 U 10/03 LG Frankfurt am Main – Urteil v. 19. Dezember 2002 – 2/3 O 443/02
Karlsruhe, den 16. Juli 2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Die Goldhasenfrage bleibt also spannend – und ich könnte jetzt gut auf einen solchen Schokohasen – ich würde mich insoweit auch durchaus sowohl dem OLG als auch dem BGH als Probeverkoster zur Verfügung stellen. Aber da muss ich mich wohl langohrtechnisch noch ein wenig gedulden, um das Original – oder das Plagiat – verspeisen zu können, denn Ostern ist ja noch weit; aber zum Glück wirft die Weihnachtszeit schon seine unübersehbaren Schatten voraus (gibt es eigentlich schon Weihnachtsmänner in den Supermärkten?): und für denjenigen, der sich in der Schokoladenszene nicht so genau auskennt: auch der Lindt-Weihnachtsmann trägt ein Glöckchen, allerdings nicht um den Hals, sondern um seine durchaus schlanke Taille; Rechtsstreitigkeiten mit seinem Kollegen, dem Goldhasen, sind nicht bekannt, und auch sonst scheint der Weihnachtsmann bisher ohne gerichtliche Hilfe seinen Weg bis auf die Weihnachtsteller zu finden… da ist die Weihnachtszeit dann wohl friedlicher als die Osterzeit!
Fehlt ja eigentlich nur noch die Klage eines geneigten Verbrauchers, der Lindt & Sprüngli dafür verantwortlich macht, ihn durch ihre Marketingaktionen zum übermässigen Schokoladenkonsum angestiftet und in seiner Gesundheit verletzt zu haben – dann würde die schweizer Schokoladenfirma ja in die Kategorien der ganz Grossen aufgenommen wie der Coca Cola und McDonalds.
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