Wenn wir unsere Hände zum Gebet falten, so drückt dies leiblich aus, dass wir uns mit Leib und Seele und all unseren Sinnen sammeln wollen. Wenn sich Menschen zur Begrüßung einen freundlichen Blick schenken, dann ist dies ein leibliches Zeichen von Zuneigung und Respekt. Der Handschlag drückt Verbundenheit aus und noch inniger die Umarmung. Unser Leib spricht „eine eigene Sprache“.
Das gilt insbesondere für die Beziehung zwischen Mann und Frau, die wie keine andere eine leibliche Dimension hat. Im Gegensatz zu anderen freundschaftlichen Beziehungen ist die besondere Liebe zwischen Mann und Frau exklusiv.
Sie wählt aus und kann immer nur einer Person gelten. Und je intensiver die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau wächst, desto intensiver binden sich beide aneinander, bis es einmal zu dem Punkt kommt, an dem sich Mann und Frau in der Ehe einander für ein ganzes Leben schenken und annehmen.
Der Weg einer solchen Beziehung wird begleitet von leiblichen Zeichen dieser Verbindung. Je inniger die Verbundenheit, desto inniger auch die leiblichen Zeichen dieser Verbundenheit.
Damit diese Zeichen aber echt sind und nicht Vorspiegelung falscher Tatsachen, müssen sie mit der Intensität der Liebe über?einstimmen. Die intensivste Form der leiblichen Mitteilung von Liebe zwischen Mann und Frau ist die geschlechtliche Gemeinschaft. Diese leibliche Hingabe aneinander ist nur dann echt und wahrhaftig, wenn sie getragen wird von der Lebenshingabe, die Mann und Frau durch die Eheschließung begründen.
Daher ist der einzig legitime Ort der geschlechtlichen Gemeinschaft die Ehe. Hier geht es nicht um leibfeindliche Erwägungen oder gar um eine sexualfeindliche Einstellung. Im Gegenteil: Gerade weil der Leib des Menschen eine solch hohe Bedeutung hat und weil Sexualität für die Liebe zwischen Mann und Frau so wichtig ist, bedarf sie des besonderen Schutzes, denn nur was ich schätze, schütze ich.
Der Hochschätzung des Leibes entsprechen die Wegweisungen, die helfen, dieses hohe Gut nicht zu banalisieren und zu entwerten.
Kardinal Joachim Meisner
Aus dem Fastenhirtenbrief 2011