Porträt Moshé Feldenkrais (77 Jahre) – Beim Workshop in Freiburg im Schwarzwald unterrichtete der Begründer der Methode somatischen Lernens 1981 etwa 250 Menschen noch einmal selbst – drei Jahre vor seinem Tod. Foto: FVD/Copyright: Irene Sieben
Eine alltägliche Bewegung: Wir setzen uns auf einen Stuhl und stehen wieder auf – ohne darüber nachzudenken, ohne Bewusstheit. Was genau passiert jedoch in unserem Körper, wenn wir gewohnte Bewegungen ausführen? Welche Muskeln und Gelenke sind eigentlich involviert? Was ist willkürlich, was unwillkürlich in der Bewegungsabfolge? Moshé Feldenkrais, der 1904 in Slawuta im Russischen Kaiserreich geboren wurde und als Vierzehnjähriger nach Palästina auswanderte, der Physik in Paris studierte und sich danach auch intensiv mit Neurophysiologie und Neuropsychologie auseinandersetzte, hat früh damit begonnen, eine Methode zu entwickeln, welche die Selbstwahrnehmung anhand vielfältiger Fragen schärft und somit Lernerfahrungen ermöglicht. In München gibt es heute zahlreiche Angebote für Feldenkrais-Kurse, wie sie etwa auch die gelernte Sozialpädagogin Sylvia Regelin in ihren Praxisräumen in Neuhausen unterrichtet.
Im Jahr 1957 wurde am Strand des israelischen Badeorts Herzliya ein Foto gemacht, das im Anschluss um die Welt ging und Feldenkrais zu internationaler Bekanntheit verhalf. Zu sehen war der damals 71-jährige Staatsgründer Israels und Ministerpräsident David Ben-Gurion, wie er im Sand einen Kopfstand machte. Bereits Monate zuvor hatte Feldenkrais damit begonnen, den seit längerer Zeit gesundheitlich angeschlagenen Ben-Gurion nach seiner Methode zu schulen. Dabei war das Ziel von Feldenkrais nicht unbedingt, Menschen auf den Kopf zu stellen. Vielmehr war er davon überzeugt, dass wir grundsätzlich über körperliche und geistige Weiterentwicklungsmöglichkeiten verfügen – als Kind wie auch im hohen Alter. Im Zentrum steht neben der Stärkung der Selbstwahrnehmung die Auflösung eigener Ängste und Beschränkungen. Bevor er Feldenkrais kennenlernte, hatte Ben-Gurion wohl nicht mehr daran geglaubt, seinen heimlichen Traum von einen Kopfstand noch jemals verwirklichen zu können.
Awareness through Movement (ATM) – Bewegung in Hüfte und
Schultergürtel; Foto: FVD/Charles Erik Huber, Copyright: SFV
„Als ich nach meinem schweren Unfall angefangen habe, Feldenkrais-Stunden zu nehmen, konnte ich nicht einmal rückwärts gehen“, erzählt Thomas (54), der diese Fähigkeit inzwischen erlernt hat. Iris Schuler ist ebenfalls Feldenkrais-Lehrerin in München und erklärt, dass die Methode ganz anders ist als Training und Therapie, wie die meisten es kennen: „Bei Feldenkrais gibt es keinen Leistungsgedanken. Wir versuchen gewohnte Bewegungen von unnötiger Anstrengung zu befreien.“ Häufig seien Menschen bereits im frühen Kindesalter eingeschränkt worden, wenn etwa die Eltern in instinktive Bewegungsabläufe eingriffen. In den Kursen werden diese Bewegungen wiederholt. Ergebnis seien oft Glücksgefühle, die dadurch erzeugt würden, sich wieder wie ein kleines Kind fühlen zu dürfen.
Neben Gruppenstunden wird Feldenkrais auch in Einzelstunden unterrichtet. Muskeln und Gelenke werden durch einen sogenannten „Feldenkrais Practitioner“ bewegt, die Klientinnen und Klienten können alte, einschränkende Bewegungsmuster auflösen, eine neue Beweglichkeit erlernen.
Moshé Feldenkrais war Physiker, Ingenieur und Judoka. Neben seiner unbändigen Neugierde für die Wissenschaft war er jedoch vor allem auch ein Macher. Prinzipien hat Feldenkrais nie gemocht. Sie waren für ihn unvereinbar mit einem freien Geist. Diäten waren ihm zuwider und er selbst hat sein Leben lang geraucht wie ein Schlot.