Bewusst fotografieren

Erstellt am 15. November 2013 von Markuswaeger @markuswaeger

Brennweite wählen. Blickwinkel einnehmen. Blende einstellen. Belichtungszeit einstellen. ISO anheben? Fokuspunkt avisieren. Fokussieren. Auslösen.

Da braucht man Jahre lange Übung damit sich das verinnerlicht und man alle entsprechenden Einstellungen an der Kamera blind und intuitiv vornehmen kann. Und dann soll ich ein Retrogerät kaufen, das mich dazu zwingt mich mit Rädchen mit Zahlen drauf zu befassen? Für mich klingt das nicht vernünftig.

Motive sind oft flüchtig. Nicht nur wenn es sich um Tiere handelt. Ein Gesichtsausdruck ist oft ebenso schnell dahin, wie eine spezielle Lichtstimmung, eine Szene auf einer Straße oder ein Eichhörnchen. Meist verstreicht schon durch das Auspacken und Einschalten der Kamera zu viel Zeit um den Augenblick noch einfangen zu können. Um jede Sekunde des Nachschauens nach und Nachdenkens über Rädchen wäre es schade.

Ich versuche bewusst bewusst zu fotografieren. Doch oft lenkt mich das Nachdenken über die Einstellungen an der Kamera zu sehr vom Wesentlichen – vom Motiv – ab. Mit dem Resultat, dass dem Modell ein Ast aus dem Ohr wächst oder neben der Blume eine Kippe liegt, die mit einem Handgriff zu entfernen gewesen wäre. Der Gedanke, dass mich seltsam platzierte Rädchen zu bewussterem Fotografieren führen könnten, scheint mir ein bisschen abwegig. Und Rädchen für zentrale Aufnahmeeinstellungen links vom Sucher, also auf der Seite der Hand die ich am Zoom- und Fokussierring habe, finde ich hochgradig seltsam.

Zunächst bewege ich mich um mein Motiv und versuche herauszufinden aus welchem Blickwinkel Vorder- und Hintergrund am besten miteinander interagieren. Dann stellt sich die Frage, welche Perspektive das Objekt am besten abbildet. Weitwinkel für dramatische Fluchten oder Tele für flache Bildwirkung und kurze Schärfentiefe. Je nach Entscheidung muss ich mich nähern oder entfernen. Soll der Hintergrund mitspielen dürfen oder möchte ich versuchen ihn durch Unschärfe auszublenden? Die Antwort liefert die Entscheidung für die Blendeneinstellung – also am vorderen Einstellrad drehen (oder am Blendenring des Objektivs). Da ich meist manuelle Belichtungseinstellungen wähle, muss ich nun die Verschlusszeit einstellen – dazu wird das hintere Einstellrad gedreht. Belichtungsskala, Histogramm und Belichtungswarnung helfen bei der Einstellung. Was ergibt sich für eine Verschlusszeit? Kann ich diese bei der gewählten Brennweite aus freier Hand noch halten? Wenn nicht: Knopf drücken und hinteres Einstellrad drehen um die ISO-Empfindlichkeit anzupassen. Auf welchen Punkt soll fokussiert werden? Ich entscheide mich für eine Art des Fokussierens, stelle scharf und löse aus.

Ich glaube nicht, dass mir eine Kamera helfen kann noch bewusster zu fotografieren. Eine Kamera soll es mir vielmehr ermöglichen all diese Prozesse fließend, intuitiv und ergonomisch zu gestalten, so dass ich möglichst wenig darüber nachdenken muss und so viel Aufmerksamkeit wie möglich für das Motiv zur Verfügung habe.

Nur noch einmal 5 Cent zur Retrodebatte. Ich will niemandem eine Df oder sonstwas ausreden. Jeder muss seine eigenen Antworten finden. Das sind meine.