Eine kürzlich erschienene Studie des Beratungsunternehmen Grant Thornton zum britischen Nahrungsmittel- und Getränkemarkt zeigt auf, dass im Fünfjahresvergleich die Anzahl der Firmentransaktionen (‚Mergers and acquisitions M&A’) gestiegen ist, wobei der Transaktionswert im 2011 mit GBP 4.7 Milliarden noch weit unter dem Stand von 2007 (ausgeführte Transaktionen im Wert von GBP 14 Milliarden) zu Liegen kommt. Der statistische Ausreisser im 2010 ist auf die Cadbury-Übernahme durch Kraft (Dealwert von GBP 11.9 Milliarden) zurückzuführen, und muss für die langfristige Marktbetrachtung ausser Acht gelassen werden.
Abbildung 1: M&A Aktivität im britischen Lebensmittel- und Spirituosenbereich, Quelle: Grant Thornton, 2012.
Im britischen und irischen Spirituosenbereich sehen die Unternehmensberater eine weitere Konsolidierungswelle, angetrieben vom Zwang der Kostenreduktion und dem teilweise schlechten finanziellen Zustand einzelner Unternehmen sowie dem stetig zunehmenden Konkurrenzkampf in der Industrie.
Erste Anzeichen für M&A-TätigkeitenUnited Spirits, die bekanntlich die schottische Whyte & Mackay im Jahre 2007 für rund USD 1.18 Milliarden übernahm, hat mitunter durch die damalige Übernahme einen hohen Fremdfinanzierungsgrad sprich Schulden in der Bilanz. Als mögliche Massnahme zur Kostenreduktion wie den teilweisen Abbau der mittlerweile USD 4 Milliarden an Verbindlichkeiten erwägt das Management den Verkauf von bis zu 49% der Aktien der Whyte & Mackay.
Ein weiteres Anzeichen für eine Branchenkonsolidierung ist auch an der vollständigen Übernahme der irischen Cooley Destillerie durch Beam Inc. (die ihrerseits erst 2011 aus der Fortune Brands herausgelöst wurde) mit einem Transaktionswert von GBP 61 Millionen zu erkennen. Als Massnahme zur Kostenreduktion respektive Fokussierung muss die Entscheidung der privat gehaltenen Bruichladdich Destillerie gesehen werden, inskünftig auf mehrere Serien respektive Spezialabfüllungen in Kleinauflage zu verzichten. Dieser Entscheid trifft vorab ‚Waves’, ‚Links’, ‚Peat’, ‚Sherry Classic’ und alle 16jährigen Abfüllungen. Gleichzeitig fokussiert sich das Management der Islay-Destillerie vermehrt auf den Re-launch stark rauchiger Single Malts wie PC10 oder Octomore.
Wachstumsbranche SpirituosenEs gibt die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt. Vielleicht spielt die Spirituosenindustrie diese Rolle im breit gefächerten und generell stagnierenden Nahrungsmittel- und Getränkemarkt. Tatsache ist zumindest, dass der globale Scotch Whisky Umsatz (in GBP und im Volumen) das siebte Jahr in Folge gestiegen ist.
In absoluten Zahlen stechen erneut Frankreich und die USA hervor. Gemessen am relativen Wachstum ziehen aber lateinamerikanische Staaten wie Brasilien (33 Prozent Zunahme gegenüber dem Vorjahr) und Mexiko (+27 Prozent) sowie asiatische Länder, insbesondere Indien (+30 Prozent) und Singapore (+28 Prozent), vorne weg. Optimistisch kommt hinzu, dass die weiteren Wachstumsaussichten in Lateinamerika (siehe auch mein Beitrag ‚Eine Standortbestimmung’ in Heft 2/ 2012) und Asien weiterhin ungebrochen sind. Grosse Erwartungen hegt die Scotch Whisky Association in ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien, wodurch u.a. die aktuellen indischen Importsteuern auf schottische Destillate von 150 Prozent des Warenwerts gesenkt werden können. Es ist davon auszugehen, dass der Abschluss eines entsprechenden Freihandelsabkommen die Exporte nach Indien massiv erhöhen werden, wobei die indische Regierung nach wie vor die Preishoheit beim Spirituosenverkauf an den Konsumenten innehat. In den Startlöchern Um von diesem bestehenden und zukünftigen Wachstum überproportional zu profitieren, haben sich die global agierenden Spirituosengesellschaften bereits in Stellung gebracht. So besetzt der Lokalmatador United Spirits sämtliche wichtigen Absatzkanäle in Indien und ist auch sonst in Asien und Lateinamerika gut aufgestellt. Diageo und Pernod Ricard, sowie Campari haben die aufstrebenden Länder bereits länger im Fokus, wobei letztere immer noch über eine volle Schatztruhe und Appetit auf Marken in Asien oder Lateinamerika hat.Neben den Branchenriesen wollen die kleineren und mittelgrossen Unternehmen (‚KMU’) der Whisky-Industrie auch vom Wachstum ihres Marktes profitieren und eröffnen entweder eine ehemals stillgelegte Destillerie wie Ian MacLeod Distillers es mit Tamdhu im April 2012 vorgemacht hat oder bauen sich ihre eigene Brennerei.
KMUs auf dem Vormarsch58 Jahre nach der Schliessung der Destillerie in Tullamore hat Wm. Grant & Sons, ihres Zeichens stolze Inhaber der Glenfiddich und Balvenie Destillerien, mit dem Neubau einer Brennerei (geplante Kosten von GBP 35 Millionen) im irischen Örtchen Tullamore begonnen. Geplant ist die Betriebsaufnahme respektive das Brennen von Tullamore Dew für das Jahr 2013. Frühestens drei Jahre später wird der irische Whiskey (global Nummer zwei in der entsprechenden Verkaufsstatistik) wieder aus Tullamore kommen.
Neu wird sich auch der unabhängige Abfüller Adelphi bei den Destillerie-Eigentümer einreihen. Was also Gordon & MacPhail (Benromach), Signatory (Edradour), Ian MacLeod (Glengoyne, GlenDronach, Tamdhu), Murray McDavid (Bruichladdich) und William Cadenhead (Springbank, Glengyle) vorgemacht haben und Duncan Taylor & Co. in Huntly gerade umsetzen, wird Adelphi mit der ‚The Ardnamurchan Distillery’ werden: unabhängiger. Bei den Jungbrennern zeigt man sich optimistisch und geht vom ersten Destillat noch vor Ende 2013 aus.
Gewinner und VerliererDie eingangs erwähnte Studie von Grant Thornton kommt zum Schluss, dass sich die finalen Gewinner im Lebensmittel- und Getränkemarkt durch eine klar definierte Unternehmens-Strategie, ein starkes Management Team und eine tragbare Finanzstruktur auszeichnen. In diesem Sinne hoffe ich, dass der eine oder andere Exponent in der Whisky-Industrie seine entsprechenden Hausaufgaben noch machen wird.