Bevor der große Regen kam: Grüne Stille in Marokko

Von Frauaufreisen

Die Einwohner(innen) von Marrakesch, die es sich leisten können, finden erfrischende Ausflugziele gleich südlich der turbulenten Orient-Metropole. Wenn im Sommer die Temperaturen in Marrakesch auf bis zu 40 Grad steigen, bietet das grüne Ourika-Tal im Süden die ersehnte Abkühlung. Und auch die Höhen des Atlasgebirges sind schnell erreicht. Die landschaftlich traumhaften Ausflugsziele sind natürlich auch bei Marokko-Reisenden beliebt.

Irgendwann im November beginnt in Marokko die Regenzeit, in diesem Jahr geschah es vergleichsweise spät. Doch unser guide Ali erwähnte, dass dann das Ourika-Tal, das sich uns noch in gleißender Schönheit darbot, zur gefährlichen Region wird. Übersschwemmungen und Schlammlawinen sind keine Seltenheit. Und auch wenn das Zentrum der diesjährigen Novemberflut noch weiter südwestlich bei Quarzazate lag, wird das Ourika-Tal ebenfalls heftig überschwemmt gewesen sein. Uns zeigte es sich bei einem ersten Ausflug noch in großer Pracht. So grün kann Marokko sein!

Das Ourika-Tal ist eine fruchtbare Region in satten Farben, bevor die Straße weiter ins Gebirge führt. Die landwirtschaftlichen Möglichkeiten, die dies eröffnet, werden mittlerweile von Kooperativen, die vornehmlich von Frauen betrieben werden, genutzt. Wir besuchen eine von ihnen und schnuppern im herrlichen Kräutergarten, lassen uns die Wirkung der üppig wachsenden Heilpflanzen erklären.

Anschließend backen die Frauen der Kooperative mit uns Fladenbrot im Steinofen, wir bereiten Tajine zu und verspeisen sie und lassen uns die Hände mit Henna filigran bemalen. Ich gebe nur einen Finger her, befürchte ein wenig, bei beruflichen Terminen in der Heimat sonst zu drollig auszusehen. Dann bereue ich diese Zurückhaltung etwas, da es riesigen Spaß macht, zuzusehen, mit welch feiner Kunst die Expertin zarte Muster aus einer kleinen Spritze aufträgt. Die frische Mischung ist dunkelolivgrün, nach dem Trocknen fällt sie bröckelig ab, darunter wird das Muster im typischen Henna-Orange sichtbar. Die bei uns aufgetragene Mischung war wohl so produziert, dass das Ergebnis dann doch nur wenige Tage sichtbar blieb.

Der Kräutergarten der Frauen-Kooperative im Ourika-Tal

Quelle: www.paradis-du-safran.com

Nach dem Genuss zahlreicher weiterer traumhafter Ausblicke im Ourika-Tal, besuchen wir ein noch junges, beeindruckendes Projekt der Schweizerin Christine Ferrari: Le Paradis du Safran. Mit dem selbst organisierten Safrananbau in Marokko erfüllte sich die beherzte und überaus sympathische Betreiberin einen Kindheitstraum, war ihr Leibgericht doch das Safranrisotto ihrer Berner Mutter. Nun hat sie, nachdem sie schon zuvor in Marokko lebte, in ein Grundstück investiert und arbeitet mit marokkanischen Frauen zusammen.

Quelle: www.paradis-du-safran.com

Wir erfahren, warum Safran so teuer ist, obwohl die Krokusknolle, deren Blütenfäden das Märchengewürz bilden werden, fast unter allen Bedingungen wachsen. Drei Fädchen pro Blüte sind zu gewinnen – und das einmal im Jahr. Christine Ferrari erklärt aber auch überaus unterhaltsam, wie man die zahlreichen Safran-Fälschungen erkennt und führt uns durch ihren prächtigen Bestand an tropischen Pflanzen und Kräutern. Wir sind etwas zu früh für die diesjährige Safranernte, die von einem Tag auf den anderen irgendwann im November beginnt. Das muss ein rührender Moment sein, das jährliche Safranwunder: Die erntenden Frauen begrüßen singend die Blüten und der Betreiberin geht das Herz soweit auf, dass sie die Tränen kaum unterdrücken kann, berichtet sie. Und ich wünsche Christine von Herzen, dass die diesjährige Ernte gut verlaufen ist!

Märchenkulisse im Ourika-Tal

Prächtiges Grün rundherum auch bei unserem zweiten Ausflug von Marrakesch aus. Und dann erklimmt der Bus die Höhen, die Schneegrenze kommt näher und mit ihr eine einzigartige Stille. Was für ein Kontrast zur Medina von Marrakesch! Hier oben bei Oukmaiden gibt es Skipisten und -lifte, gerne genutzt von Marrakeshis, die es zu etwas gebracht haben. Marokkaner lieben Schnee, und auch wenn die Berberfamilien im Hohen Atlas sich nicht auf die Holzbretter stellen: Wenn der Schneefall in den Dörfern beginnt, setzen sie sich vollständig eingemummelt auf Decken –  zum Picknick auf der kalten, weißen Pracht.
Dabei ist die Armut natürlich sichtbar, einfache Lehmhäuser in den Berg gehauen, beherbergen die Familien im Hohen Atlas. Lange blieben die Menschen hier Analphabet(inn)en, viele sind es heute noch. Für die Kinder ist Schulpflicht und Bildung die Option, einmal ein etwas weniger karges Leben zu führen.

Lehmhütten im Hohen Atlas

Touristen sehnsüchtig erwartet

Blick von der Terrasse der Auberge Chez JuJu

Auf der Rückfahrt: Nochmal das traumhafte Ourika-Tal

Der Tipp für die besondere Auszeit in Ruhe und Entspannung: Die Auberge “Chez Juju” nennt sich “höchste Herberge Afrikas” (ob das stimmt?) und liegt mit traumhaftem Blick in erhabener Stille auf 2650 Metern Höhe. Ich habe mir selbst vorgenommen, hier mal zu übernachten…