das Sommerloch die Warterei auf die Nikon D4 überwunden und können nun das Land endlich mit “Nikon D4 vs. Canon 1D X” Tests überziehen. Und was macht der Stilpirat? Kauft sich KEINE Nikon D4. Nöööhö! Ich warte auf die Nikon D4s! Die soll dann 400.00 ISO können und 16 Bilder die Sekunde schiessen! Ha! Damit bin ich dann ganz weit vorn! Ha!
Naja, eigentlich will ich mit dieser kleinen Scharade nur einen Bogen spannen, zu einem Thema, welches sich seit Jahren durch meine fotografische Entwicklung zieht: Kamerakauf!
Ööhm, Ihr ahnt es! Ich hab mir eine Kamera gekauft! Yep! Wobei “gekauft” nun auch wieder nicht ganz stimmt. Richtiger wäre: “anfertigen lassen”. Und nun dürft Ihr Euerm Nebenmann zuflüstern: “Ok – der Stilpirat hat vollends den Verstand verloren und sein Erfolg steigt ihm zu Kopf!”… Jaja – doch alles der Reihe nach:
Seit mich das Großformatfieber gepackt hat, sitzt ein kleiner Teufel auf meiner Schulter, der mich permanent an die Schlepperei dieses Ungetüms und die fehlende “Alltagstauglichkeit” erinnert. Ja, Großformat ist was für Männer, mit kräftiger Rückenmuskulatur und manch einer verkauft seine Großformat-Anschaffung bereits nach einer Woche wieder, weil ihm Angst und Bange wird. Doch bei jedem Zweifel überwog in der Überlegung doch immer die brachiale Bildästhetik, die mir ein jedes Grossformat-Foto ins Gesicht schlug. Nein, so schnell gibt ein Pirat nicht auf!
Ich hab in diesem Jahr ne Menge Auslandsreisen auf dem Zettel, die ich fotografisch festhalten möchte und wie ihr wisst, mach ich es mir bei der Wahl der Kamera, nicht einfach (ja ein iPhone würde auch reichen). Ich hatte mir sogar in den Kopf gesetzt, in Kalifornien nicht mit einem Handwagen unterwegs zu sein und trotzdem im Grossformat fotografieren. In meiner Recherche nach einer leichten, tragbaren Grossformatkamera, stiess ich auf einen verrückten Amerikaner, der alte Polaroid Kameras des Typs 110A in Grossformat-Kameras umbaut. Die Polaroid 110A bietet sich für ein derartiges Unterfangen deshalb an, weil sie den nötigen Abbildungskreis besitzt und dank Messsucher ebenso leicht wie einfach zu bedienen ist. Der Messsucher ist übrigens eines meiner Hauptkriterien gewesen, weil ich durch ihn nicht auf die Arbeit an der Mattscheibe angewiesen bin. Ein weiteres Kriterium war für mich das Gewicht und die Polaroid wiegt gerade mal 1,8 Kilo! Das ist weniger, als meine Nikon D3s mit aufgesattelter Linse. Der Polaroid-Mann im fernen Amerika flext nun bei diesen Dingern die Rückklappe ab und schweisst ein 4×5 Rückteil an. Jede von ihm umgebaute Kamera ist ein Einzelstück, denn er baut sie exakt nach deinen Wünschen um. So wollte ich für meinen Umbau, ein Graflok-Back mit Gitter-Fresnel-Mattscheibe und eine schwarze Belederung. Der Kamera-Kopf sollte ebenfalls schwarz sein und ich wollte das ursprünglich verbaute Rodenstock 127/f4,7 mit Prontor Verschluss, weil dieser Linse fantastische Abbildungseigenschaften nachgesagt werden. Die Kamera wurde komplett und sehr detailreich restauriert. Mein Faltenbalg sieht aus wie neu und die Belederung ist ebenfalls sehr ordentlich ausgeführt.. Die Kommunikation und Abwicklung lief via E-Mail. Ich wurde immer über den Fortschritt der baulichen Massnahmen informiert und bezahlte im voraus. Produktionsdauer: 6 Wochen. Jede restaurierte Kamera bekommt einen Namen, den sich ihr Besitzer ausdenkt. So eine Art Taufe! Ich hab mich nach kurzer Überlegung für “Jack Cousteau” entschieden, weil mich die Optik der Kamera irgendwie an ein U-Boot erinnerte und ich die Verbindung zu “Forscher und Entdecker” mochte. “Jack” statt “Jacques”, weil die ein amerikanische Baby ist…
Als ich die Kamera dann kurz vor Weihnachten endlich in meinen Händen hielt, war das – verzeiht mir: PURER SEX! Ich legte mir die Stylistics auf und… ach, seht selbst:
Alles fühlte sich so an, wie ich es mir ausgemalt hatte. Die Kamera ist liebevoll restauriert und alles fühlt sich sehr wertig an. Mein besonderes Augenmerk lag auf dem Messucher, denn der würde für mich zwischen Sieg und Niederlage unterscheiden. Und ein Blick durch den Sucher, zauberte mir ein Siegerlächeln ins Gesicht: Er war gross, hell und mit gut sichtbarem Schnittbild! Willkommen “Point & Shoot Grossformat“!! Nun kann ich mit einer leichten Grossformat-Kamera durch die Gegend ziehen, für die ich kein Stativ brauche und dank Messsucher auch kein Dunkeltuch über die Mattscheibe hängen muss. Einziger Wermutstropfen: Kein Tilten oder Shiften! Mich stört das nicht weiter, meine Graflex kann das auch nur eingeschränkt und gebraucht hab ich es auch noch nie…
Ok, wie schlägt sich das Baby nun aber im Alltag? Im Rucksack auf dem Rücken merkt man die Kamera wirklich nicht – da bin ich anderes gewohnt! Das Handling ist easy: Klappe auf, Faltenbalg nach vorn ziehen, Licht messen, Verschluss spannen, ein Blick durch den Messsucher und fotografieren. Der Auslöser ist gut zu erreichen und ebenfalls schön groß (das ist bei Grossformat nicht unbedingt üblich, weil man ja normalerweise mit Drahtauslöser arbeitet). Fokussiert wird mit einem sehr grossen Einstellrad an der Klappe… Man kann damit wirklich sehr feinfühlig arbeiten. Bei der Graflex war das vergleichsweise grobschlächtig. Nach 3 Bildern war ich mir sicher: Wenn die Ergebnisse mich ebenso überzeugen wie das Handling, dann will ich ein Kind von ihr! Und Voilá was meint Ihr (klick macht groß)? Lohnt es sich, mit Ihr ins Bett zu steigen?
Die Fotos sind auf Usedom entstanden: 1 und 3 auf einem Kodak TRI-X 320, Bild 2 auf Spürsinn G50, der mir wieder mal, bewies, dass er mein Lieblings-Großformat-Film ist.