Betelnuss, die; -nüsse

So falsch lag ich gar nicht, als ich in jungen Jahren meinte, die Betelnuss sei eine Bettelnuss, eine Nuss, die mit dem Betteln einhergeht. Tatsächlich ist die stimulierende Nuss in Asien und Ostafrika ein Genuss- und Suchtmittel hauptsächlich der ärmeren Bevölkerung. Sie wirkt belebend bis aufputschend und dämpft das Hungergefühl und ist deshalb eines der Schmiermittel der neoliberalen Wirtschaftsordnung, in der gerade in Asien dem arbeitenden Fussvolk Höchstleistungen und lange Arbeitszeiten abverlangt werden. – Eine kleine Recherche und ein Erlebnisbericht aus Indien.

„Areca catechu - Köhler–s Medizinal-Pflanzen-014“ von Franz Eugen Köhler, Köhler's Medizinal-Pflanzen - List of Koehler Images. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons - http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Areca_catechu_-_K%C3%B6hler%E2%80%93s_Medizinal-Pflanzen-014.jpg#/media/File:Areca_catechu_-_K%C3%B6hler%E2%80%93s_Medizinal-Pflanzen-014.jpg

Betelnuss: „Areca catechu – Köhler–s Medizinal-Pflanzen-014“ von Franz Eugen Köhler, Köhler’s Medizinal-Pflanzen – List of Koehler Images. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons

 

Die Betelnuss begegnete mir in Indien auf Schritt und Tritt. In der Stadt und auf dem Land wird sie meist in kleinen Buden angeboten. Es reicht ein kleiner Tisch, auf dem die sogenannten Betelbissen vorbereitet werden. Die Nuss wird kleingehackt und in frische, knallgrüne Betelpfeffer-Blätter eingepackt, die meist mit gelöschtem Kalk bestrichen sind. (Der Betelpfeffer ist nicht identisch mit der Betelpalme, von der die Nuss herstammt.) Der Kalk dient dabei als Hilfsmittel, um zusammen mit dem Speichel den Wirkstoff der Betelnuss effizient herauslösen zu können. Das Arecolin, der wichtigste Wirkstoff, wird von der Mundschleimhaut direkt aufgenommen und passiert rasch die Blut-Hirn-Schranke. Das heisst, die Wirkung tritt schnell ein. Da die Betelnuss bitter schmeckt, wird sie mit Gewürzen, Minze oder Zucker vermischt. Oft wird auch Tabak beigegeben.

Betel Nut Seller: von Jonas Merian, CC-Lizenz via flickr

Betel Nut Seller: von Jonas Merian, CC-Lizenz via flickr

 

Unappetitliche Begleiterscheinungen

Und das Geschäft scheint zu florieren. Jedenfalls ist vielenorts in den Städten Indiens der Boden gesprenkelt vom roten Saft, der jeweils ausgespuckt wird, nachdem sich die Wirkung voll entfaltet hat. Und es kommen ganz schöne Mengen zusammen. Denn die Betelnuss regt auch den Speichelfluss an und färbt den Speichel knallrot. So sind die Spuren auf dem Boden deutlich erkennbar, und ich musste sie im Rollstuhl jeweils umfahren, besonders die frischen …

Ich erinnere mich an einen Ladenbesitzer, der, als ich ihn ansprach, nicht antworten konnte. Er hatte den Mund voller Betelsaft und wollte diesen nicht vorzeitig ausspucken – und womöglich auch nicht vor meinen Augen. Etwas hilflos und bedauernd wies er mit einer Geste auf seine Lage hin. Sein Hemd hatte bereits grosse rötliche Flecken, was dem ansonsten respektablen Händler ein etwas verwahrlostes Äusseres verlieh. Auch sonst ist der Anblick einer Person, die regelmässig Betel konsumiert, ästhetisch eine Herausforderung: Der ganze Mund, Zähne und Zahnfleisch, sind dauerhaft rot verfärbt – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Betelnuss nicht so sehr ein Genuss-, sondern ein Suchtmittel ist, vergleichbar vielleicht mit dem Tabak im Westen. Der Kalk greift das Zahnfleisch an und lässt es degenerieren. Als Langzeitfolgen des Betelkauens sind Krebs in Mundhöhle und Rachen verbreitet.

Faszination Betelpalme

Trotzdem handelt es sich bei der Betelnuss nicht um ein Rauschmittel im eigentlichen Sinn. Sie wirkt nicht bewusstseinsverändernd. Vielmehr wird das Wohlbefinden gesteigert und die Stimmung aufgehellt, bis hin zu leichter Euphorie. Auch die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft nimmt zu – eine durchaus willkommene Wirkung im wirtschaftlich boomenden Asien.

Ich selber habe die Wirkung der Betelnuss nie ausprobiert, zu abstossend empfand ich das ganze Drumherum. Und auch geschmacklich versprach ich mir nicht allzu viel davon … Zudem hatte ich auch nie das Bedürfnis nach zusätzlicher Anregung in Indien. Der indische Alltag war mir immer Kick genug.

Fasziniert hingegen war ich von der Betelpalme, die mit einem äusserst schlanken Stamm bis zu 25 Meter in den Himmel ragt. Zuoberst – und nur dort – gibt es ein paar Fiederblätter, die, gemessen an der Höhe der Palme, geradezu karg anmuten. Im Süden Indiens werden die Betelpalmen wie viele andere Palmenarten auch in Plantagen angebaut.

Betel Nut Trees von PhBasumata, CC-Lizenz via flickr

Betel Nut Trees von PhBasumata, CC-Lizenz via flickr


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