Betanze, dass du sterblich bist – Memento Mori: Gärtnerplatztheater // Karl Alfred Schreiner / Edward Clug

© Lioba Schöneck

© Lioba Schöneck

© Lioba Schöneck

© Lioba Schöneck

Was macht der Tod mit dem Menschen, mit dem Tänzerkörper – die unsterbliche Rolle gegenüber dem sterblichen Schauspieler? Memento Mori, ein Stück über Tod in allen seinen Facetten, hinterfragt den Umgang mit und das Verständnis von Tod. Zum Requiem von Cherubini (Choreografie Karl Alfred Schreiner) und dem Stabat Mater von Pergolesi (Choreografie Edward Clug) tanzt sich das Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz an diesem lauen Sommerabend in der Reithalle in den Tod, ganz ohne rote Schuhe. Der erste Teil von Schreiner wartet mit wunderbar dichten Bildern auf, die sich allerdings so sehr überlagern, dass alles etwas zu eng und zu voll wirkt – zu viele Ideen auf zu engem Raum. Hier haben wir keine elfengleichen Todesfeen wie in der Giselle, hier sind zackige, eckige Gespenster, mit Ecken und Kanten. Hier tanzen Erdernwürmer. Schön das Bild der wandernden Lichter, die im Vordergrund wie Grablichter und dann wie Trümmer- oder Grabsteine im Hintergrund fungieren. Insbesondere die Krümmung der Finger, teilweise manieristisch abgewinkelte Handgelenke sowie ein starker Fokus auf die Spannung der Arme sind stets zu beobachten. Bemerkenswert die Gruppenszenen, allesamt interessant choreographiert und akrobatisch. Insgesamt laufen Musik und Tanz, trotz der direkten Präsenz des Orchesters auf der Bühne, sowie des stark ins Geschehen einbezogenen Chores, ständig nur gegeneinander. Es muss ja keine Einheit bestehen, denkt sich hier der aufgeklärte und geprüfte Theaterwissenschaftler. Aber was soll denn damit ausgesagt werden? In erster Linie stört es und wirkt unstimmig. Die Tänzer scheineneine andere Luft zu atmen, sich anders zu bewegen, aus der düsteren Mönch-Vanitas-Grabesstimmung weniger ausbrechen zu wollen als rauszufallen. Als dann der letzte Tänzer die Bühne völlig sichtbar in den hellen Sommerabend verlässt, bricht die Choreografie letztlich mit ihrer zuvor generierten Ernsthaftigkeit, das Leben ist schön, wir verlassen die Bühne des Lebens, jetzt erst recht. Ein gelungener Abschluss einer keineswegs sonderlich stimmigen Darbietung, was nicht an Chor oder Orchester lag.

© Lioba Schöneck

© Lioba Schöneck

Der zweite Teil folgt in jeder Hinsicht dem ungeschriebenen Gesetz, dass weniger oft mehr ist – angefangen bei der Stückauswahl des für zwei Solistinnen (Mezzosopran und Sopran) komponiertem Stabat Mater. Die Tänzer brillieren in kleineren Gruppen, das Timing stimmt, die Choreografie auf Rhythmus basiert. Und es funktioniert nicht nur, es überholt einen während es Anschauens, voller pfiffiger kleiner Momente, Anspielungen und guter Ideen. Das Wölben der Oberkörper, das Hin und Her des Lebens, die Kreisbewegungen passen. Besonders hervorzuheben ist ein Männerduett, das zum Trio ausgebaut wird, mit Neel Jansen und Davide di Giovanni. Diese beiden sehr unterschiedlichen Tänzer lassen keine Sekunde einen Zweifel daran, dass jede Faser ihres Körpers tanzen will. Ein Tänzerkopf schiebt sich unter das hautfarbene Kleid einer Tänzerin, sie ist schwanger, die beiden tanzen miteinander – ein wunderbarer Einfall, in seiner Originalität ähnlich Preljocajs Duett des Prinzen mit dem toten Schneewittchen. Es folgt der Moment der Geburt, so grotesk wie subtil stellt sich das Leben Jesu in einem Augenblick dar, gebunden an die Mutter – einerseits eine Anbetungs-Darstellung, andererseits eine Pietà mit dem toten Erlöser in den Armen der Mutter. Genial. Der Umgang mit den Bühnenelementen, etwa 8 Meter langen weißen Stelen, ist präzise und geschickt, ob als Catwalk oder als stilisiertes Kreuz, an das der Tänzer sich mit Klebeband selbst kreuzigt. Das Stück schafft eine Atmosphäre, die ich so selten erlebt habe. Das Leben wird hier in allen Facetten gefeiert und gezeigt, eines fügt sich ins andere, ohne einem aufgezwungenen roten Faden folgen zu müssen. Ein Pina-Bausch-Zitat, eine Grablegung, Gebetsbank – ein ironischer, jedoch stets ernsthafter und lebensbejahender Kommentar auf das Leben – mit seinen kleinen Zaubertricks. Danke, Edward Clug!

© Lioba Schöneck

© Lioba Schöneck

Besuchte Vorstellung: 09.07.2013, weitere Vorstellungen 11. und 12.07. um 19:30 Uhr und 14.07. um 18 Uhr


wallpaper-1019588
Warum wir uns kritisch mit Black Friday auseinandersetzen sollten
wallpaper-1019588
[Comic] Eight und Crane [3]
wallpaper-1019588
LEONINE Anime bringt Ghibli-Klassiker als DVD in der White Edition heraus
wallpaper-1019588
ProSieben Maxx zeigt 3. Staffel von Dr. Stone im Dezember