Wenn der erste Januar seinen Glanz auf das ganze neue Jahr werfen könnte, es wäre nicht schlecht. Denn am Neujahrstag 2019 lassen wir uns in den Calanques von Marseille von funkelnden Sonnenstrahlen verzaubern, von Meeresluft und einer fast frühlingshaften Stimmung. Dafür mussten wir nur den Linienbus nehmen und schon geht der Blick nicht mehr über die Dächer der Stadt, sondern über felsige Inseln im weiten Blau.
Wir sind mit den Bussen Nummer 19 und 20 von der innerstädtischen Métro-Station Castellane aus (umsteigen in Madrague) bis zum Fischerdorf Les Goudes gefahren und dann entlang der Straße hoch Richtung Cap Croisette gelaufen, vorbei an nicht unerheblichen Mengen von parkenden und kurvenden Ausflügler-Autos. Und da begrüßte uns das Mittelmeer in seiner ganzen Pracht, so nah der City und diese doch scheinbar ganz fern. Hier versteht man, dass Marseille, die vitale Hafenstadt, eben auch die Hauptstadt der Provence ist.
Neujahrs-Glücksgefühle 2019
Für die Besichtigung des Ortes Les Goudes oder des unweit von unserem Aussichtspunkt gelegenen noch kleineren Callelongue fehlte uns die Zeit – und es ist uns auch in den verbleibenden Tagen nicht gelungen. Wir müssen wiederkommen!
Schließlich war dieser kleine, wunderbare Abstecher in die Calanques als Überbrückung gedacht bis wir unsere Wohnung über den Dächern von Marseille beziehen konnten. Unsere Koffer lagerten noch im Hotel Terminus, das uns am späten Vorabend kurz vor Jahreswechsel empfangen hatte.
Silvester am vieux port von Marseille
Der Plan des alten Jahres ging hervorragend auf. Mit dem tgv waren wir directement von Frankfurt nach Marseille gefahren in ca. 8 Stunden, ab Straßburg war es dunkel draußen und gegen 22 Uhr kamen wir im ziemlich prachtvollen Gare St.Charles an. Das kostete schlappe 50€ pro Person (an vielen Tagen im Jahr kann man die gesamte Zugreise von 1.100 Kilometern sogar für 39€ buchen). Wenn man sich auf 8 Stunden einstellt, sind die gar nicht so lang – und vor allem dieses völlig stressfreie Davor und Danach im Vergleich mit dem Fliegen!
Die Bahnhofstreppe bei Tag
Wir entstiegen dem Zug und schritten die beeindruckende Treppe vor dem Bahnhof hinunter, von hier aus war der Schriftzug „Terminus“ schon zu sehen.
So sollte es sein, ungeheuer bequem und wie am Schnürchen checkten wir ein. Das Hotel hat sicher nicht den allerausgesuchtesten Charme auf der Welt (aber wir hatten ein ziemlich komfortables Badezimmer, übrigens) – für unsere Zwecke als Ort des Übergangs zwischen den Städten und den Jahren war es perfekt!
In einer viertel Stunde ließ sich der Weg zum zentralen Ort, dem alten Hafen von Marseille, zurücklegen. Viele Einheimische verbrachten die Zeit schon vor Mitternacht im Freien, eine lebendige Stimmung allenthalben. Auch wenn die Temperatur längst einstellig war, saß man draußen bei Café, Bier oder Apérol. Ein Phänomen, das wir staunend auch in den nächsten Tagen beobachteten: Die Bewohner Marseilles sind ziemlich wind- und wetterbeständig, komme der Mistral wie er wolle. Auch wir nahmen Platz, an der Ecke des Hafens mit Blick auf das Riesenrad und schlürften uns ein wenig 2019 entgegen.
Und was tut sich in Marseille um Mitternacht? Am Himmel ganz wenig. Zwei, drei Raketen stiegen auf über dem Hafenbecken und das gab ein großes Hallo. Ansonsten Böller Fehlanzeige, sehr angenehm. Allerdings wird dann gerne das Auto gestartet, um hupend im Stau stehen. Und ausgelassen gesungen und gestampft und gehüpft unter jenem beeindruckenden Spiegeldach l’Ombrière des Architekten Norman Fosters. Die smartphones für 2019-selfies gezückt, denn die spiegelverkehrten Menschlein sind wirklich verwirrend witzig. Meine Fotos taugen nichts, im entscheidenden Moment bin ich häufig zu versunken, um das passende Foto zu machen. Wer auf den link geht, bekommt aber einen gewissen Eindruck vom Effekt des Zauberdachs.
La Samaritaine – „Unsere“ Bar vom Silvesterabend, am Tag fotografiert
Wir gehen zurück ins Hotel, über die Canebière und den Boulevard d’Athènes, die Straßen sind noch bevölkert, die meisten Kneipen aber jetzt geschlossen. Ein Stück Pizza ergattern wir noch in einer Nacht-Boulangerie und ein Stück Quiche, den Crèmant, den wir dazu auf Plastikstühlen im Freien trinken haben wir selbst mitgebracht.
Anders als im vergangenen Jahr in Rom, sind wir in Marseille völlig „unvorbereitet“ aufgeschlagen. Wir wissen also gar nicht so genau, was „man“ an Silvester in Marseille macht. Und da wir ja auch erst zwei Stunden vor Mitternacht eintrafen, lag auch wenig Sinn darin, sich um Silvestermenüs oder Ähnliches zu kümmern. Die man aber auch nicht gerade unbedingt braucht.
Für die kulinarischen Erkundigungen und Streifzüge durch Straßen, auf Hügel und wieder an der Küste blieben uns fünf weitere schöne Tage – und wir haben natürlich längst nicht alles gesehen. Nachdem das neue Jahr (und ganz lastminute-mäßig noch das alte) bei mir endlich wieder etwas Fahrt ins Schreiben zu bringen scheint, hoffe ich bald davon mehr berichten zu können. Diese Reise zum Jahresanfang war aber auch der Einstieg in den Versuch, wann immer es geht, einigermaßen klimafreundlich zu Reisen – und wie wir erlebt haben, eher stressfreier als bei der „schnellen“ Variante in den Lüften. Eine Wiederholung ist bereits in Planung…
Erinnerung an einen Neujahrsausflug – Der Blick auf Les Goudes